Vom 26.-29.4. veranstaltet Wand 5 einen Stuttgarter Wanderzirkus mit den 80er Jahre-Kultfilmen der Performance-, Musik-, Film- und Künstlergruppe Tödliche Doris – vorgestellt von Martin Schmitz (Berlin)
+ + + Veranstaltungsorte sind der Club Schocken, Oberwelt e.V., Club
Hi, Ciné Colibri und Filmhaus Stuttgart. Außerdem ist noch
eine spezielle Präsentation mit Wolfgang Müller an der Merz-Akademie
geplant.
+ + + Die 80er Jahre – unendliche Weiten! Immer noch und trotz
mehr oder weniger gelungener Aufarbeitung liegt dieses Jahrzehnt im
Dunkeln. Viele Ideen und Konzepte sind in Vergessenheit geraten oder
werden heute ohne Bewußtsein für die Ursprünge ausgewertet.
Im Zentrum der kulturellen Peripherie in den 80ern standen Die Tödliche
Doris, die mit ihren Super 8-Filmen, Trashkultur, aber auch Medienkunst
und Massenmedien maßgeblich beeinflußt haben. Ohne die Ideen
der Doris hätte es wohl die Aktionen eines Christoph Schlingensief,
die Videos einer Pipilotti Rist, die Trashmusik eines Helge Schneider
oder Stereo Total, aber auch manche eigenartige Fernsehshow nicht gegeben.
Zwischen Neue Deutsche Welle und Wilder Malerei haben Die Tödliche
Doris eine dritte Form etabliert, die Wolfgang Max Faust als "Cross
Culture" bezeichnet hat. Wenn man die Doris überhaupt irgendeiner
Kategorie zuordnen möchte, dann der Bewegung der "Genialen
Dilletanten". Wolfgang Müller, Mitglied der Gruppe, veröffentlichte
1982 den gleichnamigen Band im Merve-Verlag mit Beiträgen u.a.
von Blixa Bargeld. Die Tödliche Doris waren aber kein theoretisches
Manifest, sondern immer ironischer Aktionismus. In den sieben Jahren
ihres Bestehens – anscheinend, so die Legende, wurde die Dauer
der Existenz der Doris im Voraus festgelegt – trat die Gruppe
u.a. in Tokyo, Amsterdam, Paris, Warschau, Budapest und Villingen-Schwenningen
auf. Sie waren Teilnehmer der documenta 8 in Kassel und das MOMA in
New York sowie das Musée d’Art Moderne in Paris luden die
Gruppe zu Auftritten und Filmvorführungen ein. Das erste Open Air-Konzert
der Tödlichen Doris fand auf der Insel Helgoland statt. Ihre Konzerte
waren bizarr und unterhaltsam. So sangen die Doris-Mitglieder manche
Konzerte mit Kissen vor den Gesichtern, auf die die Textzeilen ihrer
Lieder gestickt waren. Aber auch das filmische Werk auf Super 8 ist
bizarr, radikal und zugleich ironisch und wurde nun erstmalig in Gänze
auf DVD veröffentlicht. Wand 5 zeigt in drei Programmen alle Filme
der Gruppe um Müller, dem verstorbenen Nikolaus Utermöhlen,
Käthe Kruse, Chris Dreier und Dagmar Dimitroff. So vielfältig
die Medien waren, die Doris einsetzte, so vielfältig ist auch das
Filmprogramm: es reicht von abgefilmten Tapeten – eine subversive
Antwort auf den blutleeren strukturellen Experimentalfilm der 70er Jahre
– bis hin zu trashigen Punkmovies. Die Doris verfilmte z.B. kurz
nach dem Heroin-Tod von Sid Vicious von den Sex Pistols dessen Leben
mit dem 3-jährigen Oskar, Sohn der Schlagzeugerin Dagmar Dimitroff,
und der 7-jährigen Angie als Nancy. Viele Filme handeln von Banalitäten
und Alltäglichkeiten. Einige Filme dauerten nur wenige Sekunden.
"Die Gesamtheit allen Lebens und alles Darüberhinausgehene"
ist nur eine Sekunde lang und besteht aus 24 gemalten Bildern. Filmische
Professionalität waren der Doris zuwider und sie propagierten das
Prinzip "Do It Yourself". Blickt man auf die heutige Underground-Digital
Video-Bewegung in Europa, aber auch in Ländern wie China, gehören
die Tödliche Doris zu den wichtigsten Vorläufern dieser Bewegung.
Mit zahlreichen Ausstellungen, Büchern und CD-Veröffentlichungen
ist die DTD zu dem geworden, was sie nie sein wollten oder mit dem sie
immer kokettiert haben: Kunst für die Ewigkeit.
Das Programm wird von Martin Schmitz vom Martin-Schmitz-Verlag aus Berlin vorgestellt, der bereits mehrere Bücher von Der Tödlichen Doris und deren Umfeld veröffentlicht hat.
Die Veranstaltung findet mit freundlicher Unterstützung von MFG Filmförderung (www.mfg.de), Feuersee Software GmbH (www.feuersee.de), Oberwelt e.V., Club Schocken und Ciné Colibri statt.