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Fremde Freier


Judith Siegmund (Berlin)

(english version here)

Drei russischsprachige Prostituierte an der deutsch-polnischen Grenze erzählen von ihren deutschen Freiern.

„Die Arbeit an der DVD Fremde Freier brachte mich dazu, generelle Fragen über partizipatorische künstlerische Arbeitsweisen erneut zu stellen. Benutze ich Menschen als Materialien, wenn ich sie filme? Kann ich jemandem eine Stimme geben? Wie verhält es sich damit, dass ich in einen mir fremden Lebensraum als Künstlerin eindringe und dort mit Lebensläufen konfrontiert bin, die ich nicht teilen kann? Wie kann ich Bevormundung vermeiden? Ich vermute, dass ich als Künstlerin weder einer Person die Stimme geben kann, die ihr fehlt, noch dass ich eine Sache in einem Video fassen kann so wie sie wirklich ist. Schon zu Beginn der Arbeit wusste ich aber, was ich vermeiden wollte: Ich will die Beschreibung von Prostituierten als Opfer vermeiden, möchte sie selbst entscheiden lassen, wie sie ihre Arbeit darstellen. Auch ihre Beschreibung als Femmes fatales, als Frauen, die das Abenteuer suchen, ist meiner Meinung nach falsch; arbeiten die Frauen, die ich interviewte, doch um Geld zu verdienen und weil ihnen kein anderer Ausweg bleibt.

Mit meinen Fragen nach den Freiern war ich es, die zum großen Teil den Gegenstand des Gesprächs bestimmte. Diese Fragestellung nach der Perspektive der Frauen auf die deutschen Kunden ergibt sich aus der Situation an der deutsch-polnischen Grenze: 90 Prozent der Männer, die die Dienste der Sex-Arbeiterinnen aus Weißrussland, Litauen, Lettland und anderen östlichen Ländern in Anspruch nehmen, sind deutsch. Weil die Besucher von Clubs, Bordellen und von Frauen, die an der Straße stehen, aus allen sozialen Schichten, aus allen Altersgruppen und allen Gegenden Deutschlands stammen, ergibt sich aus der Befragung ein repräsentatives Bild. Die Bedürfnisse der deutschen Männer nach einem Ausgleich der Niederlagen in ihrem Alltag und nach der Befriedigung ihrer körperlichen Wünsche ist der Grund dafür, dass sich ein breites Netzwerk von Zuhältern und Clubbesitzern entlang der Grenze und innerhalb Deutschlands erstreckt.
Die Gespräche habe ich (mit Hilfe einer Dolmetscherin) auf russisch geführt. Es ist mir wichtig, dass nicht die Frauen in einer Fremdsprache reden, sondern dass die deutschen Zuschauer russisch hören und deutsch lesen müssen.
Ich habe mit Streetworkerinnen des Vereins Bella Donna e.V. Frankfurt (Oder) zusammengearbeitet, denn ich wollte vermeiden, dass den Frauen Nachteile aus den Interviews entstehen.“
Judith Siegmund
2004

DVD-Präsentation / Gespräch
8. 10. 2004, 20 Uhr

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Foreign Johns
Judith Siegmund (Berlin)

Three Russian-speaking prostitutes working on German-Polish border talk about their German Customers.
“My work on the DVD Foreign Johns inspired me to re-examine fundamental questions about participatory artistic methods. Do I use people as materials, when I film them? Can I give someone a voice? What happens when I, as an artist, invade a living environment that is foreign to me and am confronted with life stories that I cannot share? How can I avoid being patronising? I suspect that I, as an artist, can neither give a voice to a person that lacks it, nor tell the story in the video as it really is. At the beginning of the project I already knew what I wanted to avoid: I wanted to avoid depicting the prostitutes as victims, I wanted them to have the choice as to how they wanted to present their job. The depiction of prostitutes as femmes fatales, as women looking for adventure, I believe to be wrong; the women that I interviewed work to earn money, and because they have no other options.
In asking about the customers, I more or less determined the main topic of conversation. My questions about their perception of German Johns was inspired by the situation on the German-Polish border: 90% of the men, who seek the services of sex workers from Byelorussia, Lithuania, Latvia and other eastern countries, are Germans. The fact that the Johns using clubs, brothels and street-walkers come from all social circles, all age groups and all parts of Germany means that the image produced is largely representative. It is the need of German men to compensate for the failures in their everyday life and to satisfy their carnal desires that supports the wide network of pimps and club owners along the border and in Germany itself.
The interviews were held in Russian with help of an interpreter. It was important for me that the women didn’t have to use a foreign language, and that the German viewers hear Russian, and have to read German.
I collaborated with field workers from the Bella Donna e.V. association from Frankfurt (Odra), to try and avoid any harmful consequences for the women that might come out of the interviews.

Judith Siegmund
2004

DVD presentation / conversation
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