Oberwelt e.V. Reinsburgstrasse 93 D 70197 Stuttgart Tel. + Fax: +49 711 6150013 Email: kontakt[at]oberwelt.de Web: www.oberwelt.de




Elke Hennen: Alice im Wunderland


Außenansicht: In Farbe gekratzte Gucklöcher am Fenster



oben: Blick durch die Löcher auf "Alice im Wunderland"
Akteure: Elke Hennen und Stefan Schell
unten: Jan Löchte

Bild: Der Förster im Silberwald

Ton: Emmanuelle, synchron nachgesprochen von Jan Löchte


Abb. oben: Details Jan Löchte
Abb unten: Pablo Wendel



Screenshot des Programms


Abb. unten: Heide Spieth-Wolpert

Heide Spieth-Wolpert: Schlaflager

Heide Spieth-Wolpert: Betonkissen
unten: Rosa Rücker: Ananasinstallation



Rosa Rücker: Musik im oberen, abgetrennten Raum

Rosa Rücker: Noten
unten: Lena Röth

Lena Röth: 2 Räume + 11 Häuser + 10 Stimmen = 1 Raum
Klanginstallation mit 11 Häusern aus Pappe




täglich frisch

Elke Hennen, Jan Löchte, Rudolf Reiber, Pablo Wendel, Verena Frank, Heide Spieth, Rosa Rücker, Frank Maier, Lena Röth

english version


Das Konzept der Ausstellung besteht darin, dass der Galerieraum täglich wechselnd von jeweils einem/einer Studenten/in der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste, betreut von Alexandra Ranner, für die Dauer von 24 Stunden bespielt wird. In diesen 24 Stunden sind der Abbau der vorangegangenen Ausstellung, anfallende Transporte, eventuelle Sanierung der Wände und schließlich der Aufbau der neuen Ausstellung inbegriffen. Die Ausstellung wird im Block stattfinden, das heißt, es werden neun Einzelausstellungen (dies ist die Anzahl der Projekt -Teilnehmer) vorgeführt und folglich wird auch jeden Abend eine Eröffnung veranstaltet.
Während es in der Studienzeit meist üblich ist, die eigene Arbeit im Rahmen einer Gruppenausstellung zu präsentieren, soll dieses Projekt jeden/jede Studenten/in mit der Aufgabe konfrontieren, den jeweils gleichen Raum alleine zu bespielen. Natürlich sind die Ergebnisse, wegen der jeweil individuell subjektiven Sicht- und Herangehensweise jedes Künstlers sehr unterschiedlich.

Die Termine waren:
Dienstag 18.5.: Elke Hennen „Alice im Wunderland“
Mittwoch 19.5.: Jan Löchte „Förster der Lust – Augenblicke im Leben eines Passanten“
Donnerstag 20.5.: Rudolf Reiber „Verantwortung und Sicherheit“
Freitag 21.5.: Pablo Wendel „Telekonnektophonie“
Samstag 22.5.: Verena Frank „Shift“
Sonntag 23.5.: Heide Spieth-Wolpert „Zwischenwelten“
Montag 24.5.: Rosa Rücker „Ananas“, „Konzert“
Dienstag 25.5.: Frank Maier „Handycap“
Mittwoch 26.5.: Lena Röth „Sprach-Räume“

Kontakt: Jan Löchte 0170-4053391 / Rudolf Reiber 0179-982720


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Es erschien ein Katalog in Kooperation mit der Kunstakademie. Hier der Text von Veranstalterseite

T.ä.gl.i.ch.fr.i.sch
Als ein von Künstlerinnen und Künstlern betriebener Ausstellungs- und Veranstaltungsraum hat Oberwelt e.V. (unter anderem) ein Interesse an der Hinterfragung gängiger Kunstvermittlung und einer Untersuchung alternativer Möglichkeiten der Präsentation.
Eigene Erfahrungen des Teams mit Betrieb und Markt begründen unser Anliegen, über eine pragmatische Programmveranstaltung hinaus vorwiegend nicht etablierte künstlerische Alltagspraxis zu diskutieren.

Das Motto „täglich frisch“ verrät zunächst keinen künstlerischen Inhalt und wirkt vielleicht eher wie ein etwas sarkastischer Rückzug auf studentische Anonymität und einen rein formalen Anspruch von überengagierter Abwechslung im Angebot.
Bis in die Presse-Erklärung hinein bekannte sich die Gruppe offensiv zum studentischen Status und zur akademischen Betreuung durch die Dozentin Alexandra Ranner, die während der letzten zwei Semester als Gastprofessorin die „Klasse für Installation, Performance und Video“ unterrichtete und um die herum sich das Projekt formierte, ohne seine Identität auf ein hierarchisches Verhältnis zur Lehrenden zu beschränkt zu sehen, sondern wohl – nach wiederholten Vakanzen des Lehrstuhls – eine, die Suche nach Lehrverhältnissen betreffend, eher nomadische Situation gewohnt.

Wo verbirgt sich aber aus Oberwelt-Sicht der Gewinn im Sinne einer Verschränkung von Studium und Selbstbestimmung – dem Ziel von Selbstorganisation?

- Auf jeden Fall wollten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer täglich die volle und jeweils alleinige Verantwortung für den ganzen Ausstellungsraum übernehmen und dabei – wie im exakten Gegensatz zu einem Passus im Vertrag der Arbeit „Ästhetik“ von Rudolf Reiber – auf ihre Bildrechte nicht verzichten, sondern für sie einstehen können.
- Dafür bot die Gruppe an, schnell zu machen und im Block aufzutreten: 9x Aufbau, Eröffnung und Renovierung jeweils im Komplettpaket in 24 Stunden.

Oberwelt verlangte daraufhin im Vorfeld individuelle Bewerbungen mit einem Rückblick auf realisierte Arbeiten und dezidierte Konzeptbeschreibungen. Die Beteiligten ließen sich mit großem Einsatz auf diese erste Phase ein, bauten sogar ein Oberweltmodell, in dem in kleinem Maßstab mehrere Installationen realisiert und fotografisch anschaulich gemacht wurden. Entgegen kam uns dabei natürlich, dass die Räumlichkeiten durchgehend auf hohem bildnerischen Niveau und großzügig bespielt zu werden versprachen.

Dennoch bestand die Gruppe Oberwelt gegenüber auf einer Bewerbung als Gruppe. Die Verbindlichkeit des internen Diskussionsprozesses unter den Teilnehmenden wurde über etwaige Einwände des Veranstalterkollektivs und gegen eine Vereinzelung von außen gestellt. Man könnte darin auch ein Prinzip der internen Solidarität erkennen. Bereits hier meinte ich jedenfalls eine leistungsorientierte aber gleichzeitig partnerschaftliche Qualität in der Auffassung von Studium oder Kunstpraxis zu spüren, die sich dann im praktischen Ablauf der schon aufgrund ihrer Dynamik charmanten Staffel fortsetzte.

Das kleine Festival der täglich frischen Eröffnungen rückte den Produktionsprozess in den Mittelpunkt und konnte auch für den regelmäßigen Besucher als ein im besten Sinne akademisches Studium der Kunst funktionieren, indem es eine große Konzentration auf die Einzelpositionen ermöglichte und ohne thematisch einengenden Rahmen ein weites Spektrum von Ansätzen zeigte.

Bei aller nach außen gerichteten Kraft der einzelnen Arbeiten stellte dabei meines Erachtens die nach innen abstrahlende Kommunikation – z.B. bei den Übergaben und den füreinander gehaltenen Reden – einen wichtigen Mehrwert des Projektes dar und ließ „täglich frisch“ zu einem Ereignis werden, in dem künstlerische Autonomie und emanzipatorisch angelegter Kulturbetrieb glücklich zusammenfanden.

Peter Haury

Jan Löchte zu "Förster der Lust" , Videoperformance
Hauptbestandteile der Arbeit sind zwei Filme. Der erste Film ist “Der Förster vom Silberwald”, ein Heimatfilm aus dem Jahr 1954, den ich als Kind zusammen mit meiner Oma gesehen habe. Der zweite Film, “Emmanuelle” von 1974, ist ein Erotikfilm, der erste große Kinoerfolg in diesem Genre, und ich sah diesen Film als meine erste Erfahrung mit dem Thema Erotikfilm; ich war vielleicht zwölf Jahre alt und klebte zusammen mit meinem Bruder vorm Fernseher.
“Förster der Lust” ist die Mischung aus den tonlosen Bildern des Heimatfilms
mit den nachgesprochenen Dialogen des Erotikfilms. Filme sind auch immer
Ausdruck einer Zeit und es ist daher kein Wunder, dass in den Heimatfilmen
vor allen Dingen großartige Natur- und Tieraufnahmen gezeigt werden, die
sich um eine eher einfache Handlung reihen. Im “Förster vom Silberwald” ist
das die Liebe zwischen der jungen Wiener Künstlerin Liesl und dem Förster
Hubert. “Emmanuelle” propagiert dagegen eine Überzeugung die erst nach 1968 öffentlich so möglich war. Sätze wie “Die Ehe ist eine Fessel die man
abstreifen muss” bedeuten ein neues individuelles Selbstverständnis mit einem Privatleben, das nicht mehr an die vormals gültigen Normen gebunden ist, und die liberalen Auswirkungen dieser neuen Vorstellungen sind bis heute geblieben. Die Filmfigur Emmanuelle reist zu ihrem Mann, einem französischen Diplomaten, nach Bangkog und lernt dort durch eine Art Initiation, dass die Liebe nicht für ein Leben zu zweit bestimmt ist, sondern dass das Ziel die körperliche Erfüllung und die entsprechende Geisteshaltung ist. Besucher der Ausstellung waren vielleicht etwas verwundert, denn ich stand vor der Galerie und sprach die Dialoge aus “Emmanuelle” nach. Das sah zwar aus wie ein Selbstgespräch, wirklich jedoch wurde das Gesprochene in die Galerie übertragen, wo es zu den Bildern des Heimatfilms erscholl und mit diesem ein neues Gebilde ergab. Dort hatte der Besucher die Chance den Ursprung von Text und Bild zu erkennen, wenn er eine an der Wand befestigte Konsole genauer ansah; denn während auf der Konsole recht offensichtlich ein altes Filmbegleitheft zum “Förster vom Silberwald” lag, wurde beim Blick unter die Oberfläche klar, dass der Sockel der Konsole aus dem Pappschuber des Emmanuellefilms gefertigt war.

"Augenblicke im Leben eines Passanten", C-Prints, 2004, je 22,5 x 30 cm
Fotografien von Auffälligkeiten beim Gang durch die Stadt
Die Lust am Zweideutigen bleibt. Manchmal lauf ich durch die Stadt, komm am
Nagelstudio vorbei und muss einfach grinsen. Drei Fenster weiter ist gerade
Mittagspause. Im Fenster hängt ein Zettel “Komme gleich wieder”.
Unwillkürlich kommt mir der Witz in den Sinn: Kommt eine Frau beim Arzt,
meint der Arzt: “Kommen Sie bald wieder”. Ein Freund aus England, der mich
besuchte und plötzlich einen Lachanfall wegen meines Tabaks mit dem Aufdruck “Milde Shag” bekam, weil Shag im Englischen “Fick” bedeutet. Kurze
Irritationen, eigentlich ernst gemeint und korrekt ausgedrückt, dennoch
unbeabsichtigt doppeldeutig und manchmal ungewollt komisch. Es liegt eben
alles im Auge des Betrachters.






Pablo Wendel
Telekonnektofonie
Mit Hilfe von zwei simultan geschalteten Computern, werden jeweils Ziffernkombinationen als Telefonnummern ins Telefonnetz geschickt. Die gewählten Anschlüsse sind über den gesamten Erdball verstreut und werden miteinander verbunden. Im Gegensatz zum bewussten direkten Anwählen einer Verbindung regelt hier ein Zufallsgenerator die Nummernauswahl und übernimmt somit die Vermittlerrolle zwischen zwei angerufenen Stellen. Die Generatoren werden hiermit zum aktiven Part, der zwei passive Empfänger konnektiert. Da die Verbindung zeitlich auf 30 Sekunden begrenzt ist, entsteht eine sich permanent neu aufbauende Spannung. Die Installation ist akustisch verstärkt erlebbar und läuft autark ohne jeglichen Eingriff ab.

Durch eine geringe Trefferquote ist es relativ unwahrscheinlich, aber nicht auszuschließen, dass zwischen zwei Angerufenen eine „echte Kommunikation“ entsteht. Es geht dabei nicht nur um die tatsächliche verbale Kommunikation, die im vermeintlichen Bewusstsein, der Abnehmer oder antwortenden Geräte entsteht, vielmehr ist es die Verbindung selbst, die fasziniert. Im alltäglichen Fall ist eine Verbindung nur Mittel zum Zweck, wir sind interessiert an dem was unser Gesprächspartner zu sagen hat. Anders ist es hier: die Dauer einer Verbindung währt gerade lang genug um eben diese kurz aufzubauen. Es ist hier weniger von Wichtigkeit, was die angewählten Punkte miteinander zu tun haben, sondern dass zwischen ihnen ein Kontakt hergestellt wird. Es entstehen internationale zufallsbedingte Verknüpfungen mit unvorhersehbaren menschlichen und vor allem technischen Prämissen, die kulturell interessante Gegenüberstellung ermöglichen können und den Besucher voyeuristisch daran teilhaben lassen.
Die Arbeit bleibt formal auf einem sehr nüchternen Niveau: zwei Tische, zwei Computer. Von künstlerischem Interesse sind lediglich die zwei Bildschirmoberflächen. Was dort zu sehen ist, ist eine Art Membran des gerade noch Darstellbaren zwischen der haptischen, körperlichen, empirisch wahrnehmbaren Welt und der den Einblick und Zugriff verwehrenden Welt der elektronischen Daten unserer selbstverständlich darauf angewiesenen Realität.











Rosa Rücker
zu "Ananas":
Einmal, da habe ich die Schale einer Ananas, die ich mit meiner Familie gegessen hatte, draußen in der Sonne trocknen wollen.
Da hab ich sie, die einzelnen Stücke, vorsichtig und dann sorgfältig aufgefädelt. Und dann hingen sie in der Sonne, wiegten im Wind und ich sah ihnen dabei zu und merkte, dass ich es gerne tat, und, dass mich dieses Bild berührte.
Aber es war Sommer.
Und ich hatte es vorher schon erlebt, die Sommerluft, und das liegt vielleicht an der Wärme, bindet die Geräusche, bindet, und alles scheint stärker zu Leben als sonst.














Rosa Rücker zu "Konzert":
Da sind diese Noten. Ich hab sie irgendwann geschrieben, als Kind, weil ich dachte, komponieren kann ja nicht so schwer sein. Man schreibt Noten auf und denkt sich was dabei.
Was ich dabei dachte weiß ich nicht mehr.
Aber wie klingen sie?
Das frag ich mich seit dem.
















Lena Röth:

11 Häuser
2 Räume
grosse Häuser, kleine Häuser
laute, stille, verquere, klare, lange, verwinkelte
1 Haus ohne Fenster
Wo ist die Tür?
Schwarze Fenster, wie Löcher
Blupp

Weisse Wände
Stimmen

Der Schrei eines Kindes
Die Stimme eines Mannes, der von Liebe spricht
Ein sanftes Lied
Klacken von Schuhen
„ Ach Lenchen... „
der Text eines Kinderbuches
Stille
Das Kläffen eines Hundes
Der verzweifelte Schrei eines Mannes
Lachen
Eine Frauenstimme „ ...ging leer aus, ging in der Stadt umher... „

Ein „ Du machst mich wahnsinnig ! „ WAHN-Sinn, neben einem Lachen, dass aus Häusern dringt, die Geschichten erzählen und Erinnerungen die dich suchen gehen in der Stille eines Sprachgewirrs, dass sich im Raum ausbreitet.



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Fresh Daily: An Installation Every Evening, 9 X

Elke Hennen, Jan Löchte, Rudolf Reiber, Pablo Wendel, Verena Frank, Heide Spieth, Rosa Rücker, Frank Mailer, Lena Marie Röth
The concept of the exhibition is that, in a 24 hour cycle, the exhibition space will be made available to a different student of the Staatlichen Akademie der Bildenden Künste, under the care of Alexandra Ranner. These 24 hours will involve dismantling the previous exhibition, transport of works, repair of the walls where necessary, and finally the setting up of the new exhibition. The exhibitions will be held on successive days, i.e. nine solo exhibitions will take place (the number of the project participants), with an opening every evening.
While it is usual for students to present their works in group exhibitions, this project challenges each student to fill the same space on their own. The results will naturally, because of the individual subjective perspective and approach of each particular student, be very diverse.

Pablo Wendel
“Telekonnektophonie“
Two computers, triggered by two random number generators, simultaneously send number combinations as phone numbers into the international telephone network and connect destinations from all over the world. The aim is not the actual verbal communication that is created in the consciousness of the destinations and the recipients of the phone calls, rather it is the connection that is fascinating.
After the installation the mechanism operates independently, without any additional input. International, random connections are created with unpredictable human as well as technical conditions without any relationship-generating goals because the connection is limited to 30 seconds. Because of a low hit rate, it is relatively improbable, however not impossible, that real communication is created between the callers.

In everyday life this connection is a means to an end as we are interested in what the other person has to say. It is different here: the duration of a connection only lasts long enough to build itself up. It is not important what connects the two destinations, but rather that there is a random connection generated that is acoustically perceivable.
The work is of a very plain quality because only the computer monitors are of artistic interest.

What you see there is a kind of membrane between the merely sensual, physiological and empirical world and the world of electronic data on which we naturally depend in reality, even though our insight and access might be restricted. With this work people gain insight into the nearly unlimited possibilities of connections within the international telephone network.

In contrast to consciously dialing a connection, it is an independent random number generator that decides on the numbers, thus taking over the role of the operator mediating between the two callers. The two generators become the active part in the connection of two passive recipients. They create a permanent tension that can enable human and thus culturally interesting interactions and invite the visitor to take part as a voyeur.


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