Toni Zelters ungegenständliche Aquarelle bewegen sich zwischen
Linearität und Flächigkeit, zwischen ritualisiertem Gestus
und kompositorischem Kalkül.
(english text here)
Grundelement von Toni Zelters Aquarellen sind gemalte Schlingen, die
der arabischen Zahl Acht, bzw. in ihrer meist liegenden Form dem Unendlichkeitszeichen
gleichen, sich in beharrlicher Wiederholung zu Gebilden mit räumlicher
oder körperhafter Wirkung verdichten und beim Betrachter Assotiationen
mit textilen Strukturen, Tagliatellenestern, bedenklichen Wetterlagen,
komplexen Eiweißmolekülen und vielem anderen auslösen
können ohne dabei jedoch je ihren rein abstrakten Charakter zu
verleugnen. Die Arbeiten entwickeln sich in einer Mischung aus Ritual
und spontaner Eingebung; während des Malprozesses entsteht so langsam
aus unterschiedlich intensiv überarbeiteten Stellen und solchen
Flächen, die gänzlich unbehandelt bleiben, die letztendliche
Bildkomposition. Die immer wieder anlösbaren Aquarellfarben ermöglichen
dabei eine große Bandbreite zwischen transparenten, difusen Farbschleiern
und einem eher grafischen quasi kaligrafischen Farbauftrag, der sich
mitunter bis ins labyrinthische auswächst. Den spezifischen Charakter
und die Möglichkeiten des Mediums Aquarellmalerei auslotend gelingt
es der Künstlerin, Bilder mit einer starken „Sinnlichkeit
auf den zweiten Blick“ voll farblicher Delikatesse zu schaffen.
Gleichzeitig experimentiert Toni Zelter mit verschiedenen Papieren,
Malmaterialien (darunter Gummi arabicum und Ochsengalle) und variierenden
Bildformaten, von denen das in der letzten Zeit verstärkt gewählte
extreme Querformat der Bewegung beim Malen, die lange Zeit ohne jedes
Absetzen des Pinsels stattfinden kann, besonders gut entspricht. Bei
aller formaler Selbstbeschränkung und Phasen meditativer Versenkung
während des Malvorgangs erweist sie sich so als ebenso skrupulöse
wie souveräne Beherrscherin des von ihr gewählten künstlerischen
Gebietes, das sehr viel weitläufiger ist, als es dem Betrachter
anfangs erscheinen mochte.
Hans Pfrommer
"Meine bisherigen Arbeiten waren Variationen und Gestaltungen
des Labyrinthischen. Ein zentraler Aspekt des Labyrinths ist die Acht,
nicht als algebraische Zahl, sondern als geometrische Figur: eine Figur
des Kreisens sowie des Sich-Überkreuzens im Kreisen sowie der Doppelung
bzw. Spiegelung des Kreises. Nicht ohne Grund ist die Acht in ihrer
gemalten Form die einzige Zahlenfigur, die als ewige Linie nicht abbricht,
aus der es kein Entkommen, kein Heraustreten, kein Herauskommen gibt.
Sie ist die Quintessenz des Labyrinths. Indem die acht im Vorgang des
Malens sich immer weiterschreibt bzw. weitermalt, ergibt sich eine endlose
Bewegung, eine Spiegelung und Dreidimensionalität ihrer selbst.
Die labyrinthische Geschlossenheit ist daher zugleich eine Form der
Ausdehnung, der Ausgestaltung im Raum.
Es handelt sich um eine gestische Bewegung, eine Bewegung des klassischen
Labyrinths. Sie, die acht, bewegt sich - analog dem Labyrinth - auf
ein Zentrum zu und wieder weg, pendelnd und zugleich schwingend mit
Richtungswechsel. Ihr Wesen ist das Zyklische, die ewige Wiederkehr
(Nietzsche). Ihre Linien entfalten sich zu strukturellen Formen (wie
Gewebe oder Faltenwurf), die Formen erheben sich wiederum zur Schicht.
Dabei ergeben sich Inseln mit gegenübergestellten Leerräumen.
Die damit einhergehenden Farbverflechtungen und Farbschichtungen erweisen
sich als Spiel von Schärfe und Unschärfe. Aus all dem ergibt
sich ein folgerichtiges Format: das Querformat als logisch-räumliche
Ausrichtung der Achterbewegung.
Die Technik ist Aquarell, die Farben sind wieder anlösbar und Lasierbar.
Unter Beimischen von zusätzlichem Gummi Arabicum in die Aquarellfarbe,
verleiht ihr einen Film-Charakter, der sich über die Papierstruktur
legt. Wogegen das Beimischen von Ochsengalle bewirkt, dass die Farbe
bis in die Poren der Papierstruktur verteilt wird."
Toni Zelter