(english)Das Ausstellungsprojekt Genius Loci wurde
aus einer offenen Ausschreibung kuratiert und befasst sich mit der
zeitgenössischen Bedeutung und Interpretation des aus der römischen
Mythologie stammenden Begriffs des ´Geist des Ortes´.
Was bedeutet in unserer digitalisierten Welt `Ort` für uns?
Welche spezifischen Charakteristika prägen unser jeweiliges Umfeld,
wie werden diese wahrgenommen, wodurch sind sie gefährdet oder wie
widersetzen sie sich einem mittlerweile global ähnlichen Trend des
Raumdesigns?
Und welche Bezüge gibt es zum Geist? Welches Verständnis von Geist
gibt es im zeitgenössischen Kontext überhaupt noch?
KünstlerInnen aller Bereiche spüren in ihren Arbeiten den Geist des
Ortes auf, lassen ihn aus der Flasche und stellen ihre Sichtweise
auf spektakuläre oder auch unscheinbare Orte dar.
Eröffnung Freitag, 3. November, 19:00 Uhr
Besichtigung der Ausstellung bis 25. November 2017
Montags 21:30 bis 24:00 Uhr u.n.V. unter Tel: 0711-650067
Mittwoch, 8. November 2017, 19:00 Uhr: ´Traces´,
Filmabend mit Arbeiten von Moritz Liewerscheidt/Thomas Glatz/Florian
Schenkel, Hannelore Kober/Jonnie Doebele, Thomas Ulm und Peter Prothmann,
der diese Zusammenstellung arrangiert hat.
Hannelore Kober/Jonnie Doebele: London Postcards,
1979/80, 7 min, 16mm-Film
Der Kitsch der Langzeit-Nachtaufnahmen berühmter Straßen und Plätze,
der Bewegung durch Bewegungslosigkeit darstellt, wird im Film wieder
zum Laufen gebracht. 5.000 solcher Fotografien jagen London Postcards.
Hannelore Kober/Jonnie Doebele: N.Y.C, 1980, 33 min,
3-fach-Projektionsfilm, Super-8
Wenn Jimmy über die 2. Avenue geht, dann laufen dort 2 blaugraue
Turnschuhe, schwarz von Manhattans Dreck. An der Spitze biegen sie
sich, Wildleder mit Ralley-Streifen, in die Höhe, in Richtung Gesicht.
Auf der 7. Straße konserviert die Fujica AMX-100 dieselben Turnschuhe
an Jimmy´s stinkenden Füßen ein paar Tage später. Ich drücke nur auf
den Knopf. Dabei soll die bloße Entscheidung, Abdrücken oder Nichtabdrücken,
als Akt einer organisierten Auswahl, keine dominierende Rolle spielen.
Die Sonne knallt voll in Jimmy´s Gesicht.
Die AXM-100 hängt an meinem Handgelenk. 6 Monate lang. Der tägliche
Gebrauch der Kamera beziehungsweise des Knopfdrucks, soll zur alltäglichen,
unbedachten Handlung werden. Aber Routine ist eine Anstrengung der
Zeit. Jimmy, der eigentlich Dimitri heißt, bezieht seine Turnschuhe
aus den East-Village-Mülleimern. Auch die schwarzen Lederschuhe, in
denen ich ihn einmal treffe, an der selben Stelle, die 2. Avenue überquerend.
Und die sind mindestens zwei Zentimeter zu groß. Mülleimer lösen essentielle
ökonomische Probleme. Auch deren Probleme, deren Existenz in Zweifel
gezogen werden kann. Bei Jimmy ist es Geiz oder Bewusstsein, wenn
er mit mit dem Abfall lebt. Liebe zu den Tieren oder Angst vor den
Menschen, wenn er mit 15 Katzen und Penny und Suzie, den Hunden, in
einem 25-Quadratmeter-Apartment haust. Ich fotografiere am Rande.
So wie Popcorn am Rande das eigentliche Faktum ist, das den Gewinn
der Filmindustrie ausmacht.
Nachschrift aus dem Erzähltext des Films
Peter Prothmann: 26 Poems, 2010, 14:00 min,
Video
26 Poems ist ein mit Handkamera gedrehter Kurzfilm über städtischen
Raum - man könnte auch "Gefüge" sagen, was ich persönlich
bevorzuge, da durch diese Bilder gut sichtbar wird, wie solch ein
"Organismus Stadt" aus Dutzenden von Bereichen besteht,
manche ganz gut geplant, andere eher ärgerlich oder völlig inakzeptabel.
Der Titel selbst verweist auf die nicht eindeutig zu unterscheidenden
26 Kapitel des Filmes, welche verschiedene Lauflängen aufweisen, sowie
unterschiedliche Gesichtspunkte der Darstellung, die jedoch nahtlos
ineinander übergehen.
Einen Gutteil der Einstellungen könnte man heute, 2017, im übrigen
gar nicht mehr drehen - die Drehorte sind schlichtweg "verschwunden
worden".
Peter Prothmann
Moritz Liewerscheidt: Andere Gärten - Das ABC des Florian
Schenkel, 2015, 36 min
"Er witterte bei den anderen eine solch tief verwurzelte
Dummheit, einen solchen Abscheu vor dem, was er dachte, eine solche
Verachtung für die Literatur, die Kunst, für alles, was er anbetete,
er fühlte dies alles so fest eingepflanzt und verankert in diesen
kleine Händlerhirnen, die einzig mit Gaunereien und Geld beschäftigt
und lediglich für jene niedrige Zerstreuung mittelmäßiger Geister,
für die Politik, offen waren, dass er wutentbrannt nach Hause zurückkehrte
und sich mit seinen Büchern einschloss."
Joris-Karl Huysmans, Gegen den Strich (1884)
"Andere Gärten - Das ABC des Florian Schenkel" ist ein
experimenteller Dokumentarfilm.
In der der Tonspur sind frei improvisierte Assoziationen zu verschiedenen
Begriffen zu hören, die Thomas Glatz dem Künstler Florian Schenkel
hinwirft. In den Filmbildern von Moritz Liewerscheidt bleibt der Protagonist
jedoch abwesend, nur sein Zimmer und seine nähere Wohnumgebung on
Berlin-Neukölln sind zu sehen. Wer ist dieser Florian Schenkel?
Das Portrait des unbekannten Künstlers - ein Münchener im Berliner
Exil - ist zugleich ein Portrait Neuköllns. Eine Passionsgeschichte
in 26 Buchstaben und drei Umlauten.
www.moritzliewerscheidt.de
Thomas Ulm: Le Verdier Haut, 2017, 9:41
min, Video (HD 1080)
"Le Verdier Haut ist ein aus wenigen Häusern bestehender
Ort im Südwesten Frankreichs. Der Film zeigt in einer einzigen Einstellung
mit fester Kamera den Übergang von der Dämmerung in die Dunkelheit.
Das Verschwinden des Ortes kann als langsames Erblinden betrachtet
werden, das dem Betrachter umgekehrt die Möglichkeit lässt, sich diesen
Ort genau einzuprägen: Die Position des Hauses, den Verlauf der Straße.
Der Verdunkelung der Landschaft entspricht die Verdunkelung im Projektionsraum,
die das Gewicht der Sinne vom Sehen hin zum Hören verschiebt."
Thomas Ulm
Sonntag, 12. November 2017, 18:00 Uhr: Filmabend ´Genius Loci´mit
Arbeiten von Thomas Georg Blank, Böller und Brot, Christine Falk,
Verena Kyselka, NAF (Nana Hülsewig/Fender Schrade), Katja Struif,
Herbert Wentscher
Montag, 20. November 2017, 19:00 Uhr: Vortrag ´Der Dreilampenplatz´
von Kurt Grunow und Harry Walter
Samstag, 25. November 2017, 19:00 Uhr: Finissage
mit einer Lesung von Matthias Gronemeyer
Download Ausstellungsreader: Genius_Loci_Reader.pdf
Diese Ausstellung wird gefördert von der