(english)Amerika markiert ein neuen Werkzyklus
für die deutsche Künstlerin Charlie Stein und konfrontiert das Publikum
mit einer komplexen Intervention zu Nationalismus, ethnischer Zugehörigkeit,
Mode und der Konstruktion von (Selbst-)identität. Darin zeigt sich
eine Erweiterung ihres Interesses an kulturellen Ikonen und den sich
ständig verändernden Bedeutungen des fotografischen Porträts in der
Post-Internet-Ära.
Aus einer Vielzahl von fotografischen Quellen stammend, wählt Stein
Personen aus, die die amerikanische Flagge getragen haben, und präsentiert
sie gleichberechtigt nebeneinander. Bei den meisten dieser Porträts
ist die Sättigung herabgesetzt, so dass sowohl zu dem Träger als auch
zur Flagge eine Art historische Distanz aufgebaut wird. Das Bild,
beraubt von seiner schrillen Farbigkeit, wird so auf eigentümliche
Weise gleichermaßen zu einer Quelle von Ruhe und Beunruhigung.
In Grey American Flag (1960) verbannte Jasper Johns die Farben aus
der amerikanischen Flagge und enthüllte dadurch sowohl ihren Status
als formales Objekt als auch die inhärente Flachheit der Bildebene.
Andy Warhol würde später amerikanische Ikonen in Arbeiten wie Double
Elvis (1963) auf ähnlich flache visuelle Oberflächen reduzieren. Was
bedeutet es für das Subjekt, wenn eines der weitverbreitetsten Symbole,
das als Teil einer persönlichen Identität wahrgenommen wird, eine
ähnliche künstlerische Veränderung erfährt?
Als deutsche Künstlerin bringt Stein eine einzigartige Perspektive
auf eine Art des Nationalismus zum Ausdruck. Nationalstaaten verlieren
zunehmend an Relevanz, doch die nationalistische Stimmung befindet
sich in einem Aufschwung. Nationen werden offenbar wieder groß gemacht,
auch wenn ihr Einfluss abnimmt. Hier ist die US-Flagge überall präsent
und gleichzeitig ausgeschaltet: ein Symbol des Fortschritts, das scheinbar
in der Zeit zurück blickt.
Die Arbeit kann auch autobiographisch verstanden werden: Das Amerika
der 1980er Jahren war eine wichtige kulturelle Referenz in Steins
Kindheit. Stein unterhält auch wichtige künstlerische Verbindungen
mit den Vereinigten Staaten. Durch ihr fortwährendes Interesse an
Selbstporträts ist Stein sich bewusst, dass die subtilsten visuellen
Eindrücke vom Subjekt unterwandert werden. Insgesamt stellt Steins
Amerika eine komplexe und eindringliche Reflexion unserer gegenwärtigen
Position als betroffene Beobachter eines größeren kulturellen Rahmens,
indem wir sowohl als aktive und den Status-Quo herausfordernde Teilnehmer
agieren.
Andy Best
Eröffnung Freitag, 26. Oktober, 19:00 Uhr
Besichtigung der Ausstellung bis 10. November
Mo. 21:30 bis 24:00 u.n.V. unter Tel: 0711-650067