(english version below)
'Ob Sonnenschein, ob Sternenfunkel:
Im Tunnel bleibt es immer dunkel.'
Dieses Distychon von Erich Kästner transponiert die Zielstrebigkeit, die einen Berg durchbohrt, auf eine Geisteshaltung. Aus fahrzeitbasierter Unabhängigkeit wird Verbohrtheit, Beschränktheit: der Tunnelblick.
Der Zweizeiler ist überschrieben mit 'Grenzen der Aufklärung', eine wenigstens kritische Relativierung der Epoche, die als Synonym mit der Metapher des Lichts (les lumières) verschmilzt.
Vielleicht geht es auch um eine Ambivalenz zwischen rationalen, linearen Betrachtungen und einem von sinnlicher Hingabe geprägten Schauen auf lyrisch kosmische Aspekte der Wirklichkeit.
Stuttgart hat durch seine Topographie eine lange und zuletzt konfliktgeladene Tradition des Untertunnelns. In unmittelbarer Nachbarschaft von Oberwelt befindet sich mit dem Schwabtunnel der bei Fertigstellung 1886 breiteste Tunnel Europas. Als am 04. Dezember 1902 erstmals die Straßenbahn hindurch fuhr, wurde er auch einer der ersten Straßenbahntunnel. Schließlich war er der erste Tunnel weltweit, durch den ein Automobil fuhr.
Die thematische Gruppenausstellung schöpft aus den realen lokalen Gegebenheiten ins Metaphorische und Dialektische.
Eröffnung Freitag, 15. September, 19:00 Uhr
Besichtigung der Ausstellung bis 30. September n.V.
Filmdoku von Ausstellung und Eröffnungs- bzw. Rahmenprogramm-Performances
Vortrag und Diskussion Mittwoch, 20. September, 19:00 Uhr:
Nila Schlenker: Die Aufklärung – Chancen und Grenzen
Ausgehend von Kants Wahlspruch der Aufklärung „Habe Muth, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“ werden wir uns mit der Bedeutung der Aufklärung befassen und deren Chancen und Grenzen erkunden. Im Anschluss besteht die Möglichkeit zum Gedankenaustausch.
Lecture Samstag, 30. September, 19:00 Uhr:
Eva-Maria Reiner: Die Wurmlochhypothese – Eine Aneignung
Seit 2016 beschäftigt sich Eva-Maria Reiner künstlerisch mit einer computergenerierten Grafik aus dem Internet. In ihr spielt das Motiv des Tunnels eine wichtige Rolle. Sie illustriert die Wurmlochhypothese*, ein Gedankenkonstrukt der mathematischen Astrophysik. In dieser Illustration wird die Denkfigur „Tunnel“ auf angenommene intergalaktische Vorgänge übertragen.
Basis sind zeichnerische Interventionen in, sowie Analysen von Ausdrucken jener vorgefundenen Grafik. Im Rahmen einer Lecture stellt Eva-Maria Reiner ihre Ergebnisse vor und schlägt einen Bogen zum metaphorischen Gehalt der Thematik.
*Wurmlöcher sind Gedankenkonstrukte der mathematischen Astrophysik. Darin wird angenommen, ein Wurmloch könnte Galaxien so miteinander kurzschließen, dass die zwischen ihnen liegende Entfernung von mehreren Millionen bis Milliarden Lichtjahren in der Dauer eines Moments überwunden werden könne.