Der Raum, mit großem Schaufenster ist leer. Als Besucherin bemerke ich erst nach einigen Schritten die Veränderung: Vanessa Henn hat den gesamten Raum mit Teppich ausgelegt, das typische zweifarbige Muster des alten Fliesenbodens aus Hunderten von sauber zugeschnittenen Segmenten nachbildend. Ein Küchenbodenmuster in ocker und türkisblau. Nun also Auslegware darüber, neu und sauber mit dem spezifischen Geruch einer Neubauwohnung. Jetzt denkt man doch gleich an Wohnzimmer. Heimelig, gemütlich. "Tread softly" auch der Titel an der Wand. Ja, der Schritt hat sich verändert, man schreitet weich. Befremdlich dennoch die undurchdringliche Oberfläche des Bodens. Der Raum war mal eine Metzgerei, auch einmal eine Wäscherei. Auf den kalten Fliesen die Gebrauchsspuren vieler Nutzer, der Farbton tief und lebendig variabel. Nun ist die Fläche weich und warm, aber auch merkwürdig clean und abgehoben.
Erfahrungen mit Teppichen hat die Stuttgarter Künstlerin in Neuseeland
gesammelt. Die ersten Siedler brachten Teppiche aus England mit, Erinnerungen
an die verlassene Heimat. Großblumige und auffällige Muster waren modern
im England der Jahrhundertwende. Während sich in Deutschland mit der
Bauhausbewegung ein strengerer Einrichtungsstil durchsetzte, lieben
die Neuseeländer auch heute noch auffällige Teppichmuster. Für Henn
wurden diese Teppiche, die die Siedler einst aus der Heimat mitbrachten
zu Synonymen für das ihr dort Fremde. So sind während ihres Aufenthalts
in Christchurch auf der Südinsel Neuseelands einige
Arbeiten entstanden, die sich mit der kolonialen Geschichte und
Kultivierung des Landes auseinandersetzen. Mit ihrer neuen Arbeit in
Stuttgart knüpft sie an die neuseeländischen Installationen an. Eine
visuell zurückhaltende Arbeit, die auf subtile Weise durch die Thematisierung
der unterschiedlichen Materialitäten eine eindrückliche Wirkung entfaltet.
Friederike Dönnges
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