Oberwelt e.V.
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World Wide Waldeinsamkeit

Martin Blaško, Andreas Gajdošík, Marie Lukáčová, Jakub Roček
kuratiert von Jana Pisarikova


(english) Wir suchen nach einer Geschichte, die auf einem Stück Land beruht, das für Menschen verboten ist - es liegt auf einer Grenzlinie, die den Disterlucky-Wald und einen Ort namens Hirschgespreng teilt (die Linie teilt auch die tschechische und die deutsche Nation).
Wir untersuchen die Geschichten, die sich hier offenbarten, sowie die Ursachen, warum Weltgeschichte sich in solch einen marginalen und kleinen Ort eingeprägt hat, zu dem heute der Zutritt verwehrt ist.
Wir rekonstruieren einen unbedeutenden Flecken Land durch übrig gebliebene Archive und Erzählungen. Das schweigende Reich von Wäldern hat uns sein Bild aufgezwungen. Können wir es auch manipulieren und existiert es überhaupt?


(Begleittext der Künstler in der Ausstellung)

Kern der gemeinschaftlich entwickelten Installation ist eine Serie von Texten der Künstlerin Marie Lukáčová. Diese schildern, beginnend mit dem Ende des ersten Weltkriegs und bis heute reichend, in Form von Polizeiprotokollen, Briefen oder Zeitungsmeldungen verschiedene Vorgänge in einem tschechischen Waldstück im Grenzgebiet nahe Deutschland. Zunächst wirken sie bis auf den Ort unzusammenhängend, doch finden sich auf den zweiten Blick subtile Verknüpfungen, welche ein Narrativ erzeugen, das letztendlich eher als Bild nachwirkt, und eine feine und mitunter humorvolle Annäherung an ein historisch vereinsamtes und tabuisiertes Gebiet darstellen. Der beschriebene Ort entfaltet sich auch symbolisch als gedanklich-emotionaler Komplex zu Konflikten, die die Verstummung einer Nachbarschaft beleuchten und fragile Potentiale einer vorsichtigen Annäherung beinhalten.
Eine projizierte Animation führt die Betrachtenden durch eine mit bildgenerierenden Computerspielprogrammen erzeugte virtuelle Landschaft von zerfallenden Holzhütten in einem düsteren, nebligen Wald. An die Bewegung des während der virtuellen Kamerafahrt vom Wind geschüttelten Laubes sind Ventilatoren gekoppelt, welche im Raum realen, unterschiedlich starken Wind erzeugen.

Dabei betont die offensichtlich abstrahiert konstruierte Verbildlichung den fiktiven, zeichenhaften Charakter des Ortes der Ereignisse als stimmungsmäßigen Träger für verschüttete Erinnerungen.
Auch eine Serie von verblassten Fotografien eines zerstörten Waldes entstammt der virtuellen Bildkonstruktion und schließt, als verunklärte vermeintliche Dokumentation den Texten gegenübergestellt, den Kreis der Installation.

Der erste Text beschreibt eine junge Tschechin, die am Ende des Ersten Weltkrieges vergeblich versucht, einem tödlich verwundeten deutschen Soldaten zu helfen oder ihn während seines Sterbens zumindest zu trösten. Der letzte Text schließt an diese Szene an und beschreibt die Verhaftung einer Aktivistengruppe im Jahre 2014, die etwas pathetisch versucht, die Replik eines Gedenkkreuzes am Original-Ort wieder zu errichten.

Zwei erfolglose Gesten der Barmherzigkeit - im Spannungsfeld einer leidvollen und von Entfremdung und Gewalt geprägten, heute jedoch beiseite geschobenen Geschichte. In der aktuell von wirtschaftlicher Dominanz bestimmten neuen Beziehungswirklichkeit der deutschen und tschechischen Gesellschaften sind diese Texte eine bemerkenswerte und befreiende gedankliche Klammer für einen Schatz von Aufarbeitungsmöglichkeiten für eine zukünftig tiefere menschliche Verbindung.

Peter Haury und Sylvia Winkler

Im Rahmen eines Austauschs zwischen Brünn und Oberwelt, die unter dem Titel "shipping closer" Ende Oktober dort war.
Eröffnung: Freitag, 12. Dezember 2014, 19.00 Uhr
Ausstellung bis 22. Dezember
Besichtigung Mo. 21.30 bis 24.00 u.n.V. unter Tel: 0711-6071383





World Wide Waldeinsamkeit

Martin Blaško, Andreas Gajdošík, Marie Lukáčová, Jakub Roček
curated by Jana Pisarikova

We are searching for a story based on a piece of forbidden land located on the border dividing the Disterlucky Forest and a place called Hirschgespreng (the border also divides the Czech and German nations). We are investigating stories that have unravelled here as well as the reasons for world history being imprinted onto such a marginal and tiny location to which access is now denied. We are reconstructing an insignificant patch of land from extant archives and narratives. The silent realm of woods has forced its image upon us. Can we manipulate it as well and does it even exist?
(text by the exhibiting artists)


At the heart of the collaboratively developed installation is a series of texts compiled by artist Marie Lukáčová. Numerous police reports, letters and newspaper articles dating from the end of the First World War and up to the present day portray various events that have taken place in a forested area close to the German border. Apart from the common location, the events initially appear unrelated. On second reading though, subtle connections can be found; connections that create a narrative which lingers on as an image in the mind’s eye and that demonstrate a fine and sometimes humorous approach to a district that has been historically isolated and made taboo. At the same time, the place described unfolds symbolically as an ideological and emotional complex of conflicts, which highlight the silencing of a neighbourhood and are comprised of a fragile potential for a cautious rapprochement.
A projected animation, generated by an image-generating computer game program, leads the viewer through a virtual landscape of dilapidated wooden huts in a gloomy, misty forest. The movement of the foliage blown by the wind in the virtual camera pan is linked to ventilator fans, which emulate the varying strength of the virtual wind in the real space.
In so doing, the obviously abstract and constructed visualisation emphasises the role of the fictional and symbolic character of the place in the stories as an atmospheric conveyor of buried realities.
A series of faded photographs showing a destroyed forest, also derived from the virtual image construction, is contrasted with the texts in the form of blurred, supposed documentation thus bringing the installation full circle.

The first text describes a young Czech woman at the end of the First World War and her futile attempts to help or at least comfort a fatally wounded German soldier as he dies. The last text follows on from this scene and describes the arrest of an activist group in 2014 as it somewhat dramatically attempts to erect a replica of a memorial cross at its original location.

opening: Friday 12th December 7 pm
presentation till 22nd December
Mondays 9 pm till midnight and by appointment



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