Projektbeispiele,
die ein Spektrum der Oberwelt
arbeit umreißen
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Oberwelt e.V.
- Reflections
In diesem Bereich ist eine Textauswahl
geplant, deren Grundstock aus Teilen der Publikation
"Oberwelt e.V. - eine Gebrauchsanweisung" bestehen
wird.
In this area we plan a choice of texts, based on
parts of the publication (in german).
1. Andreas Mayer-Brennenstuhl (www.ambweb.de)
english translation by Lucy Harvey
Von der Utopie einer kooperativen Kontextproduktion
Oder: Ist die Oberwelt schon die Beste aller möglichen Welten?
Irgendwo - freischwebend im magischen Dreieck zwischen Erkenntnistheorie,
Dienstleistung und Entertainment - bewegt sich nach wie vor, nimmermüde,
unerbittlich auf unbekanntem Kurs, der künstliche Satellit "Oberwelt"
am Nachthimmel der "selbstorganisierten Kontextproduktion".
Was dieser Kurs nun sei, was immer wir unter "kooperativer Kontextproduktion"
zu verstehen haben, ist müßig zu klären solange die Praxis
sich bewährt. Nur soviel vorweg: Der Bedarf an "Zeigemöglichkeiten"
für konzeptuell orientierte Kunstpraxis ist virulent, gerade da wo
es nichts zu zeigen gibt. Die Oberweltler dabei immer interessiert an
allem was sich als helle Spur am Nachthimmel abzeichnet, gleißendes
Sonnenlicht reflektierend auf futuristisch-metallischen Satellitenhäuten.
Fremde Energie auf ausgefalteten Sonnensegeln einzufangen und für
die eigene Energieversorgung zu nutzen ist der eigentliche Grund des Reflektierens
all dieser Satelliten, die eigene Sichtbarkeit für externe Beobachter
ist also nur ein Nebeneffekt: Angenehm, weil zur Ortung und Kontaktaufnahme
nützlich, unerwünscht im militärischen Sicherheitsbereich
unter den Aspekten "Spionage" und "Angreifbarkeit".
Wie dem auch sei, Reflexivität ist "basic" im Satellitendasein.
Nun aber genauer. Eine Kontextproduktion, die sich im oberweltlerischen
Sinne in der Grauzone zwischen dienstleistungsorientierter Vermittlungspraxis
und eigenen, unleugbar vorhandenen Kunstpraxis-Ambitionen bewegt, transportiert
neben ihren immanentenTheoriepositionen immer auch immanente Widersprüche.
Und das ist gut so, da dies eine weitere Treibstoff-Resource derartiger
Satelliten ist.
Oberweltler sind auch Kunstpraktiker (mehrheitlich zumindest, genaue Zahlen
hat noch niemand ermitteln wollen). Woher sonst sollte eigentlich die
notwendige (hohe) Motivation kommen, ein derartiges Unternehmen mit derart
exorbitanten Selbstausbeutungsenergien auszustatten? Man muß sich
seiner Sache schon sicher oder zumindest von ihr ziemlich überzeugt
sein, um hier im Orbit auf Kurs zu bleiben. Einer konzeptuell orientierten
Kunstpraxis ein qualitativ anspruchvolles öffentliches Forum zu bieten
ist zwar ein logisches Anliegen, wenn man selbst, aus der eigenen künstlerischen
Praxis, den quantitaven Mangel an derartigen Orten kennt. Subjektive Betroffenheit
dürfte also ein wesentlicher Motivationsgrund für viele Beteiligte
der oberweltlerischen Aktivitäten (gewesen) sein. Das ist ehrenwert,
genügt auf die Dauer aber nicht. Vor allem wenn man beobachtet, wie
machesmal im weiteren Umfeld der "selbstorganisierten Off-Galerie
-Szene" bei genaurem Hinschauen eine "zeig-ich-dich-zeigst-du
mich- Mentalität" sich hinter dem Dienstleistungs-Engagement
verbirgt, schmeckt die Suppe nicht mehr. Da wird das "sich-gegenseitig-einladen"
schnell zu einer schalen Angelegenheit und die Beteiligten interessieren
sich schon bald nicht einmal mehr für sich selbst vor lauter Langeweile
im selbstreferentielllen System. Wer hier also weitermacht, wie die Oberweltler,
hat andere Batterien im Gepäck.
Zwei Aspekte, die im Begriff "kooperative Kontextproduktion"
miteinander verbunden sind, will ich hier ansatzsweise aus meiner persönlichen
Perspektive etwas näher im Einzelnen beleuchten. Da ist zum einen
der Aspekt der "Kooperation", im 20ten Jahrhundert wäre
in diesem Zusammenhang vielleicht sogar der Topos "kollektiv"
gefallen.
"Künstlergruppen. Von der Utopie einer kollektiven Kunst",
so lautete das Titel-Thema der "Kunstforum"-Augabe 116 vom Dez.
1991, lang ist es her. Worüber sich die Autoren im Tenor einig waren:
Kunst-Produktion und Kollektivismus vertragen sich nicht, bei aller Liebe
zum Kollektiv (und mancher Kunstforum-Autor mag hier in den 90ern verschämt
und mit einem lachenden und einem weinenden Auge auf seine Jugenderfahrungen
als Alt-68er und auf seine damaligen Ideale zurückgeblickt haben).
Trotz aller theoretisch geleisteten Kritik am romantischen Geniebegriff
und an seinem individuellen Künstlerheros, an der individullen Herkunft
der genialen Idee aus einem personifizierten Künstlerhirn gibt es
nach wie vor keine Zweifel. Obwohl im ökonomischen und wissenschaftlichen
Sektor Kreativität eigentlich nur noch als Ergebnis einer Teamarbeit
praktiziert wird, im Kunstsektor kommt immer noch alles aus der Tiefe
eines sagenumwobenen Individuums. Dieses eigentümliche Festhalten
an einem Mythos, der im Zeitalter der permanenten Informationsvernetzung
zunehmend skuril und peinlich wirkt, hat natürlich in erster Linie
ökonomische Gründe, daneben dürfte der Kompensationsaspekt
dieser Ideologie heute auch eine tragende gesellschaftliche Funktion haben.
Der aktuellen Kunstpraxis-Realität ist mit Begriffen wie "kollektiv"
natürlich nicht mehr beizukommen, auch was unter dem Begriff "Künstlergruppe"
zu subsumieren sei, bleibt in den 90ern schon rätselhaft. Wie sich
die Kunstforum-Macher gar zur Frage nach einem utopischen Potential von
imaginären Künstlerkollektiven versteigen konnten, bleibt Betriebsgeheimnis.
Ein Aspekt, der bei dieser Begriffswahl überhaupt nicht ins Blickfeld
der Autoren rückte, ist jedoch der der "Kooperation". Künstlergruppen,
die sich als verschworenes Kollektiv definieren zum Zwecke einer vermeintlich
gemeinsam besser zu leistenden Durchsetzung einer neuen "Stilrichtung"
oder einer gemeinsamen Ideologie, dürften heute selbst in abgeschirmtesten
Informations-Provinzen nicht mehr zu finden sein, was es heute jedoch
auf breiter Basis gibt, sind Informations-Netzwerke und Vernetzungen von
Individuen und Institutionen, die als souveräne Partner bei ihren
Projekten miteinander kooperieren. Wie das Bild vom genialen (Maler-)Autisten
mit seinem dialektischen Gegenbild des "Kollektivs" unaufhebbar
verbunden ist, so eng verzahnt ist die Figur des "Medien-basierten
Kommunikationsproduzenten" mit dem Begriff des Netzwerks und der
Kooperation.
Im Begriff der Kooperation dürfte auch eine wesentliche Differenz
zur Figur des "Künstler-Kurators" liegen, der in den 90ern
als Reaktion auf manche Ratlosigkeit auftauchte, nicht zuletzt als eine
mögliche Ausgeburt von nachhaltig praktiziertem "cross-over".
Als "Seitenwechsler" im Betriebssystem Kunst hat er unleugbar
Vorteile gegenüber manchem Kunsthistoriker oder Betriebswirtschaftler
mit Zusatzqualifikation oder Nebenfachstudium. Bei manchen Vertretern
dieser (im Grunde nicht schlechten) Spezies beschleicht mich jedoch gelegentlich
der Verdacht, hier hat jemand die Rettung aus seiner künstlerischen
Ratlosigkeit bzgl. einer möglichen eigenen Werkproduktivität
gesucht, indem er Themenreihen, die aus dem Hut gezaubert wurden oder
Groß-Ausstellungen, deren Themata an den Haaren herbeigezogen sind,
kreiert und mit beliebig auswechselbaren Exponaten seiner ehemaligen Akademie-KommilitonInnen
bestückt. Kontextproduktion sozusagen als Meta-Werk-Produktion. Frei
nach dem Motto: Was die anderen sagen, habe ich schon lange gesagt (oder
sagen wollen) und deshalb sag ich`s jetzt laut. Diese evolutionären
Ausrutscher des Betriebssystems Kunst wären damit peinlicherweise
eigentlich die wahren Nachfolger der aussterbenden Spezies "Künstlergenie".
Das heimliche Schielen gescheiterter Künstler-Existenzen auf Ersatz-Profilierung
durch ein mehr oder weniger großgedrucktes "CURATED BY"
auf der Einladungskarte als letze Bastion der bürgerlich-romantischen
Künstler-Sozialisation.
Zugegeben, das sind Verdachtsmomente ohne Beweiskraft, die mich hier manchmal
beschleichen, klare Verhältnisse sind mir dennoch lieber. Und da
ist ein kooperatives und anonymes Zusammenwirken von professionellen Künstlern
zum erklärten Zwecke einer gemeinsamen Kontext-Produktion aus meiner
Sicht die sauberere Lösung. Das Bedürfnis, im kooperativen Diskurs
gefundene Themen als geniale Intuition eines singulären Gehirns zu
verkaufen, ist gering und was das Wesentliche ist: Die so erarbeiteten
Themen haben meist einen profunderen "Sondierungscharakter"
hinsichtlich ihrer gesellschaftlichen Relevanz als die aus subjektiver
Sicht, sei diese auch noch so "genial" . Ohne (zweifellos vorhandene)
Eitelkeiten anheizen zu wollen, so meine ich sogar beobachten zu können,
daß in derartigen kooperativen Diskurszusammenhängen des öfteren
Themen in einem sehr frühen Stadium als virulent entdeckt werden,
die dann sehr schnell von externen Beobachtern aufgegriffen und als "individuelle
Intuition" vermarktet werden.
Sei`s drum, das ist wohl der Gang der Dinge und die Herangehensweisen
sollen hier auch nicht gegeneinander ausgespielt werden. Jedenfalls ist
aus meiner persönlichen Erfahrung mit dieser kooperativen Herangehensweise
und seinem inhärenten Potential einer "gegenseitigen Befruchtung"
ein hoher Grad an "erkenntnistheoretischer Befriedigung " verbunden
und, um im Bild zu bleiben, ich spreche hier tatsächlich von einer
Befriedigungs-Differenz, die in etwa der zwischen Kopulation und Selbstbefriedigung
entspricht (schließlich beginnen die Begriffe Kooperation und Kopulation
nicht zufällig mit derselben Vorsilbe) Nach soviel Vergnügen
zurück zum Thema.
Der andere Aspekt, den ich hier ins rechte Licht der Reflexion rücken
will, ist der der gegenseitigen Befruchtung von kuratorischer Konzeption
und individueller "Werkproduktion". Was meine ich damit? Ganz
einfach: Es ist einer aktuellen Kunstpraxis heute von der Sache her kaum
noch möglich, auf fertige Vermittlungsformen zurückzugreifen,
ohne sich selbst in ihrem eigentlichen Gehalt zu demontieren. Wer sich
da auf den "white cube" verlassen will, der ist verlassen. Vermittlungsformen,
- von der Ortswahl (geht`s eigentlich nicht mehr ohne "in situ"?)über
die Einladungsform (d.h. Zielgruppenwahl), die Eröffnungsform (Party
und Ambient-Club als Dauerbrenner läuft auch nicht mehr) über
das eigentliche "event" bis hin zur "Diskurs-Animation"
(welcher Kritiker darf heute schreiben?), fertig abzurufende Vermittlungsformen
gibt es nicht mehr, alles ist machbar und muss gemacht werden. Die Institutionskritik
der 90er Jahre zeitigt Früchte, und das heißt : Arbeit. Zwar
gibt es da auch im institutionellen Kontext einen fatalen Hang zum "fast-food"
und zu vorgefertigten Menüs zu konstatieren, alles in allem sind
die Künstler jedoch heute immer mehr darauf angewiesen in Kooperation
mit Kuratoren diese Vermittlungsformen individuell und spezifisch als
wesentlichen Bestandteil ihrer Arbeit mitzuliefern. Daß dies im
Kontext "selbstorganisierter Kunsträume" selbstverständliche
Praxis ist, ist klar. Was bei den frühen Vorläufern heutiger
selbstorganisierter Kunsträume in den 60/70er Jahren noch in einer
Mischung aus Idealismus und nicht zu ändernder Notwendigkeit notgedrungen
an Kontext-Arbeit geleistet werden mußte, hat sich mittlerweile
längst zum zentralen Bestand künstlerischer Praxis gemausert.
In der Kunstpraxis heute ist die Werkproduktion von der Kontextproduktion
eigentlich kaum mehr zu trennen. Insofern ist es eigentlich eine naheliegende
Sache, zwischen den Funktionen "kuratieren" und "produzieren"
gelegentlich zu wechseln. Erfahrungen auf der einen Seite helfen bei Kooperationen,
bei der man auf der anderen Seite steht. Das macht nicht nur die Zusammenarbeit
erfreulicher, sondern auch das was dabei herauskommen soll. Und darauf
kommt es letzlich an.
back
2. Oliver Feigl:
Bedeutung und Möglichkeiten kleiner, unkommerzieller und selbstorganisierter
Kunstinstitutionen in der Kunstszene anhand des Beispiels Oberwelt e.V.
Seminararbeit, geschrieben 2005 im 2.Semester, im Rahmen des Seminars:
"On Site. Zeitgenössische Kunst in Stuttgarter Institutionen",
angeboten von Prof. Dr. Hans Dieter Huber an der Staatlichen Akademie
der Bildenden Künste Stuttgart
(Ohne Anmerkungen und Fußnoten)
1. Einleitung
Laut einer Studie des Kunsthistorischen Institutes der Universität
Stuttgart sind es verstärkt die kleinen, unkommerziellen und selbstorganisierten
Kunstinstitutionen, die es „mit der Vermittlung von aktuellen Erscheinungen
in der Kunstszene zu tun haben“ .Mit der Oberwelt möchte ich
ein Beispiel einer solchen Institution im sogenannten Off-Space vorführen
und anhand von ihr versuchen einige Vorteile und Möglichkeiten dieser
Ausstellungsräume gegenüber größeren, etablierten
oder kommerziell arbeitenden Kunstinstitutionen zu beleuchten.
Über den Verein Oberwelt sowie über die Ausstellungsräume
des Off-Space im Allgemeinen gibt es, neben der Publikation von Oberwelt
e.V., wenig Fachliteratur. Deshalb habe ich den Großteil meiner
Informationen aus Interviews ermittelt, wobei ich bemüht war, aus
den teilweise sehr unterschiedlichen Wahrnehmungen eine objektive, auf
Tatsachen beruhende Darstellung zu konstruieren.
2. Entstehung alternativer Ausstellungsorte durch K.O.-Betriebe
Die meisten der oben genannten Institutionen entstehen aus einer Eigeninitiative
von Künstlern, die sich in einer Gruppe zusammenschließen und
den Betrieb bzw. die Organisation der Institutionen selbst und oft ehrenamtlich
übernehmen. Häufig kommt es hierbei zu der Gründung eines
Vereins, durch den die Betreiber Fördermittel für die Finanzierung
eines Raumes oder von Projekten erhalten können. Welche Gründe
es für die Entstehung dieser K.O.-Betriebe oder artist-run-spaces
gibt, möchte ich nun anhand ihrer geschichtlichen Entwicklung verdeutlichen.
Die von Künstlern gegründeten und betriebenen Institutionen
entwickelten sich zwar vermehrt schon seit den 1970er Jahren, jedoch nahm
ihre Anzahl mit dem Einsturz des Kunstmarktes Anfang der 1990er Jahre
erheblich zu. Grund dafür war die mit der Rezession verbundene Schließung
vieler Galerien, welche sich durch die Blüte des Kunstmarktes in
der vorherigen Dekade neu gebildet hatten. Dieser Galerienschwund zerstörte
nun nicht nur stark die Ausstellungsplätze junger Künstler,
sondern auch ihre Hoffnung einmal entdeckt zu werden und von ihrer Kunst
leben zu können. Aus dieser Not heraus suchten sie Alternativen zu
den bestehenden Kunstinstitutionen und gründeten eigene Ausstellungsräume,
in denen sie die Kunstvermittlung selbst in die Hand nehmen konnten.
Wie hier verdeutlicht wird, hängt das Bedürfnis, neue, eigene
und von dem etablierten Kunstbetrieb unabhängige Strukturen zu schaffen,
neben dem Mangel an Ausstellungsplätzen, eng mit einer Enttäuschung
und subjektiv empfundenen Abhängigkeit der Künstler von anderen
Institutionen zusammen. Damit verbunden ist auch die Tatsache, dass etablierte
oder kommerzielle Kunstinstitutionen bestimmte Künstler, Kunstformen
und künstlerische Vorgehensweisen in ihr Programm nicht integrieren
können oder wollen .
Außerdem stellt eine zusätzliche Motivation der Zusammenschluss
in einer Gruppe dar, durch welche man einerseits in der Öffentlichkeit
mehr wahrgenommen wird und andererseits leichter Kooperationen und Informations-Netzwerke
mit anderen Künstlern oder Institutionen knüpfen kann. Dabei
können sich diese Kooperationen zwischen Künstlern sowohl innerhalb
der Gruppe als auch mit externen Künstlern ereignen, die man selbst
in seinen Räumlichkeiten ausstellen lässt. Dieses Kuratieren
anderer Künstler wird dabei von den Betreibern oftmals als eigenständige
künstlerische Tätigkeit angesehen .
3. Entstehung und Entwicklung des Vereins der heutigen Oberwelt e.V.
Bevor ich auf die Geschichte des Vereins eingehen will, möchte ich
erwähnen dass es sich bei ihm nicht von Anfang an um einen K.O.-Betrieb
gehandelt hat, sondern dieser erst mit der zweiten Generation von Betreibern
entstand. Jedoch lassen sich die oben genannten Gründungsmotive gut
auf die Übernahme des Vereins durch die zweiten Betreiber übertragen.
Der Verein, aus dem die Oberwelt hervorging, existiert seit 27 Jahren
unter wechselnden Namen. Er wurde am 13.1.1978 gegründet und unter
dem Namen Galerie Gespräch e.V. in das Stuttgarter Vereinsregister
eingetragen. Im Laufe seiner Geschichte unterlag er aber drei weiteren
Namensänderungen.
Am 13.11.1984 wurde er erst in Kunstraum Stuttgart e.V., dann ein Jahr
später am 8.8.1985 in Kunstitut e.V. und schließlich am 5.5.1995
in den heutigen Namen Oberwelt e.V. umbenannt. Die Galerie wurde unter
allen Namen von den Betreibern durchgängig unkommerziell und selbstorganisiert
betrieben. Außerdem stand sie immer in einem engen Verhältnis
mit der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, da sowohl
die Betreiber, bis auf Galerie Gespräch e.V. als auch die ausgestellten
Künstler größtenteils Studenten bzw. Ex-Studenten der
Akademie waren. Was sich jedoch ständig änderte und sich in
den Namenswechseln ausdrückt, waren die Mitglieder des Vereins und
die damit verbundenen Vorstellungen über den Betrieb und die programmatischen
Schwerpunkte der Galerie. Auf diese möchte ich nun unter den jeweiligen
Namen näher eingehen.
3.1 Galerie Gespräch e.V.
Die Gründer des Vereins und Betreiber der Galerie Gespräch waren
keine Künstler, sondern Philosophiestudenten, die von der Stadt Stuttgart
den noch heute betriebenen Galerieraum zur Verfügung gestellt bekommen
hatten. Auch lag ihr Schwerpunkt nicht in der Vermittlung von Kunst, sondern,
wie der Name schon andeutet, in der Gesprächspraxis. Deshalb nutzten
sie die Räumlichkeiten überwiegend als öffentliches Forum
für philosophische Treffen und Diskussionen, in denen beispielsweise
regelmäßig unterschiedliche Philosophen behandelt wurden. Neben
diesen Veranstaltungen boten sie jedoch auch jungen Künstlern die
Möglichkeit, innerhalb der Galerie ihre Werke zu präsentieren.
Da sich die Betreiber wenig in der Kunstszene auskannten, trafen sie kein
Auswahlverfahren oder verschrieben sich einer bestimmten Programmatik,
sondern stellten jeden Künstler bei sich aus, der Interesse zeigte.
Die Ausstellungen gaben oft Anlass für Kunstgespräche unter
philosophischer Betrachtung, durch welche eine gegenseitige interdisziplinäre
Bereicherung stattfand, die in der heutigen Oberwelt immer noch eine große
Rolle spielt.
3.2 Kunstraum Stuttgart e.V.
Nach fast 7 Jahren Betriebspraxis verloren die Mitglieder der Galerie
Gespräch das Interesse den Verein weiterzubetreiben. Das erfuhr eine
kleine Gruppe von Studenten der ABK Stuttgart, übernahm den Verein
einschließlich der damit verbundenen Fördergelder des Kulturamtes
der Stadt Stuttgart und gab ihm den Namen Kunstraum Stuttgart e.V.. Von
den sieben Gründungsmitglieder wäre evtl. Ralph Künstler
zu nennen, welcher 1985 dort auch seine erste Einzelausstellung unter
dem Titel „E la nave va“ mit figurativer Malerei und einigen
Objekten hatte. Der Kunstraum Stuttgart war das klassische Beispiel einer
Produzentengalerie, da sich die Betreiber in der Galerie hauptsächlich
selbst ausstellten und evtl. verkauften. Beeinflusst wurden sie in ihrem
künstlerischen Schaffen von der damaligen aktuellen Malerei der Jungen
Wilden. Die Ausstellungen waren jedoch noch sehr unprofessionell und spontan
organisiert, da sie wenig Erfahrung in der Ausstellungstätigkeit
bzw. im Betreiben einer Galerie hatten und spielten sich meist nur innerhalb
eines studentischen Milieus der ABK Stuttgart ab. Am Ende der Kunstraumepoche
trug die Galerie kurze Zeit noch den Namen Galerie Zorro, der Namenseintrag
erfolgte dann aber unter Kunstitut e.V..
3.3 Kunstitut e. V.
Diese Namenswechsel gehen einerseits auf eine Dopplung des Namens Kunstraum
mit einer anderen stuttgarter Kunstinstitution zurück, von der man
sich explizit abgrenzen wollte. Andererseits ließ sich kurz vor
der Umbenennung des Vereins in Kunstitut ein großer Mitgliederzuwachs
beobachten, mit dem neue Intressen in den Verein einflossen. Durch diesen
Mitgliederschub wurde beispielsweise auch Andreas Opiolka Gründungsmitglied
des Kunstituts, der dann von 1985 bis zum Ende seines Studiums 1989 Kassenwart
des Vereins war und neben Martin Weinschenk und Hermanus Westendorp den
Vereinsvorstand bildete. Im Gegensatz zu den vorherigen Betreibern des
Vereins hatten die Mitglieder des Kunstituts den Anspruch die Galerie
professioneller zu betreiben und neben sich selbst auch vermehrt andere
Künstler auszustellen. Durch diese Öffnung nach außen
erfreute sich die Galerie bald sehr großer Beliebtheit und konnte,
auf Grund der sehr hohen Bewerberzahlen, erstmals eine kontinuierlich
durchlaufende Bespielung der Galerie gewährleisten, die meist ein
Jahr im Voraus schon feststand. Des Weiteren ermöglichte es ihnen
eine Auswahl unter den bewerbenden Künstler zu treffen, an der sich
alle Vereinsmitglieder beteiligen konnten. Dabei ließ sich programmatisch
bis dato noch kein Schwerpunkt auf eine bestimmte Kunstrichtung ausmachen,
außer dass sie „ein größt mögliches Spektrum
an Kunst präsentieren“ wollten. Dennoch beschränkte sich
dieses, genau wie bei den vorherigen Betreibern des Vereins, ausschließlich
auf Bereiche der klassischen Kunstformen wie z.B. Malerei, Plastik, Radierung
und Ähnliches, in denen ästhetische Aspekte noch eine wesentliche
Rolle spielten. Dies sollte sich jedoch durch eine inhaltlichen Wende
des Kunstituts ändern, die sich auch prägend auf die heutige
Oberwelt ausgewirkte.
3.4 2. Epoche des Kunstituts / Inhaltliche Wende
Um das Jahr 1989 ereignete sich eine zahlreiche Abwanderung von älteren
Vereinsmitgliedern und ein damit verbundener Wechsel der wesentlichen
Betreiber des Kunstituts. Dafür gab es zwei wesentliche Gründe.
Erstens stellten die Gründungsmitglieder und aktiven Betreiber bis
dahin maßgeblich eine Generation von ABK-Studenten dar, die nun
nach ihrem Studium entweder Stuttgart verließen oder wegen ihres
Berufs Zeit und Interesse verloren, den Verein weiter zu betreiben. Zweitens
entwickelten sich während des Bestehens des Kunstituts unter einigen
Studenten der ABK Stuttgart zunehmend Tendenzen hin zum konzeptuelleren
Arbeiten, welche mit neueintretenden Mitgliedern in den Verein einflossen
und bezüglich der Programmgestaltung Konflikte zwischen alten und
neuen Mitgliedern verursachte. Laut Andreas Opiolka war diese Erscheinung
stark von den Inhalten eines Seminars beeinflusst, welches im Wintersemester
1987/88 von dem damaligen Lehrbeauftragten Thomas Kellein unterrichtet
wurde. In diesem Seminar namens „Tradition und Selbstbehauptung
– Zur Funktion der Künstlertheorie in der Moderne“ thematisierte
Kellein Theoriebildungen einiger Künstler und Philosophen und vermittelte
damit verbunden eventuell die Botschaft, dass „[...] Künstler
auf dem Kunstmarkt keine Chance [hätten], wenn ihre Kunst nicht einen
bestimmten theoretischen Background habe“ . Andere konzeptuelle
Einflüsse auf die ABK-Studenten und die jungen Mitglieder des Kunstituts
gab es auch durch die Professoren Inge Mahn und später vor Allem
Joseph Kosuth , bei dem alle der vier nachrückenden, wesentlichen
Initiatoren des Kunstituts studierten . Denn nach dem Austritt vieler
alter Organisatoren des Kunstituts waren es im Grunde nur Thomas Eiffler,
Altmuth Vandré, Les Schliesser und die 1991 eintretende Alexandra
Trenscéni, welche über das Programm entschieden und das Kunstitut
prägten. Diese neuen Betreiber, die sich selbst auch als „Crew
des Kunstituts“ bezeichneten, legten viel Wert auf ein klares Konzept.
Deshalb wurden über einen Zeitraum von meistens ungefähr einem
Jahr Ausstellungsreihen unter einem bestimmten Thema organisiert, bei
denen jeweils eine Person die Entscheidungshoheit besaß und über
Inhalte und ausgestellte Künstler bestimmen durfte. Als Vorbilder
dienten den Betreibern dabei inhaltlich die Arbeit von Rudolf Bumiller
und die kuratorische Tätigkeit Ute Meta Bauers im Künstlerhaus
Stuttgart. Das Programm könnte vorsichtig mit postkonzeptuell umschrieben
werden, wobei dieser Begriff hinsichtlich der Vielfalt im Programm nur
als richtungsweisend verstanden werden sollte und es neben Elementen der
Minimal und Conceptual Art auch deutlich von der Fluxusbewegung beeinflusst
war. Diesbezüglich spielte in ihrem Programm auch die Hinterfragung
des Werkbegriffs und Aspekte der Immaterialität von Kunst eine wichtige
Rolle. Alexandra Trenscéni meinte dazu in einem Interview, dass
sie sich stark mit Kunstwerken beschäftigten „[...[ die überhaupt
keinen Kunstkörper hatten, eine gemalte Oberfläche oder Ähnliches,
sondern einfach beispielsweise komplexe Gedanken sind, die auf irgendeine
Form kommuniziert werden müssen [...], es könnten auch Gespräche
sein“ . Deshalb bestanden die Veranstaltungen oft aus vortrags-
recherche- oder textbezogene Projekten mit hoch intellektuellem Charakter,
in denen auch interdisziplinäre Felder wie Soziologie, Wissenschaft,
Philosophie und Kunsttherapie beleuchtet wurden.
Einige Auswirkungen dieser inhaltlichen Wende zeigen sich in der heutigen
Oberwelt noch in dem Bruch mit konventionellen Kunstformen, der konzeptuellen
Orientierung, einem experimentelleren Umgang mit der Kunst und der Integration
von Vorträgen, Seminaren und Diskussionen in das Programm.
Das Ende des Kunstituts beschrieb die Entscheidung der „Crew des
Kunstituts“ ihre künstlerische Arbeit in Berlin unter dem Namen
„Das Prinzip der Nahrung“ fortzusetzen. Die Umbenennung in
Oberwelt erfolgte danach am 1.September 1993 unter dem neuen Vorstand
Konstanze Schäfer und Bärbel Schipfer, die auch der Oberwelt
ihren Namen gaben. Der Eintrag des Namens ins Vereinsregister erfolgte
jedoch erst 1995.
4. Oberwelt e.V.
Die Galerie Oberwelt e. V. befindet sich im Erdgeschoss eines Wohnhauses
aus der Gründerzeit in der Reinsburgstraße 93. Das große
Schaufenster und der gekachelte Boden im ersten Ausstellungsraum, der
schon von einigen, in der Oberwelt ausgestellten Künstlern thematisiert
wurde, lassen noch an die frühere Funktion des Raumes als Waschsalon
oder kurzzeitig als Metzgerei erinnern. Die Galerie umfasst insgesamt
75qm. Darunter befinden sich zwei Ausstellungsräume mit zusammen
ungefähr 38 qm und ein ausgelagerter Klubraum mit 10 qm im Hinterhof,
in denen Kunst sowohl vermittelt als auch produziert wird .
Momentan umfasst der Verein 39 Mitglieder, von denen aber nur 9-12 aktive
Mitglieder sind, die neben ihrer beruflichen Tätigkeit ehrenamtlich
den Verein organisieren, d.h. Künstler auswählen, Finanzen regeln
etc.. Den Vorstand bilden zur Zeit die 3 aktiven Mitglieder Peter Haury
, Jens Hermann und Kathrin Wörwag, wobei diese, außer in vereinsrechtlichen
Angelegenheiten, keine privilegierte Sonderstellung innerhalb des Vereins
einnehmen. Für einen K.O.-Betrieb typisch ist, dass sich alle Vereinsmitglieder
der Oberwelt als Künstler verstehen und größtenteils auch
noch künstlerisch tätig sind. Außerdem studierte die Mehrzahl
der Vereinsmitglieder an der ABK Stuttgart.
4.1 Finanzierung
Der Verein finanziert sich hauptsächlich aus öffentlichen Fördergeldern
des Kulturamtes der Stadt Stuttgart und des Landes Baden Württemberg.
Zusätzliche finanzielle Unterstützung erhält er durch die
private Hoppe-Ritter-Kunstförderung. Dazu kommen Einnahmen aus dem
Getränkeausschank sowie der Mitgliederbeiträge . Neben diesen
regelmäßigen Einkünften gibt es projektbezogene Zuschüsse
von z.B. der LBBW. Alle Gelder fließen mit Ausnahme der laufenden
Fixkosten der Oberwelt ausschließlich in die Veranstaltungen der
Künstler, welche ein festgelegtes Budget auf Verhandlungsbasis für
die Umsetzung ihres Projektes erhalten. Darunter fällt auch Druck
und Versand der Einladungskarten, dessen Aufgabenfeld jedoch die Oberwelt
übernimmt.
4.2 Auswahl der Künstler
In der Oberwelt gibt es keine ausgeschriebenen Kuratoren oder ein Direktionsteam,
sondern alle Mitglieder können sich an den Entscheidungen des Vereins
beteiligen. Über die ausgestellten Künstler, welche entweder
von einem Vereinmitglied vorgeschlagen werden oder sich direkt bei der
Oberwelt bewerben, wird per Internet oder in Programmtreffen gemeinsam
diskutiert und gegebenenfalls demokratisch abgestimmt. Somit hat jedes
Vereinsmitglied die Möglichkeit aktiv das Programm mitzugestalten.
Auch die Kontexte, unter denen bestimmte Gruppenausstellungen oder Ausstellungsreihen
stattfinden sollen, werden im Kollektiv erarbeitet und entschieden, wobei
sich hierbei auch die in den Verein eingeladenen Künstler mit einbringen
können und sollen.
Jedem eingeladenen Künstler wollen die Oberweltmitglieder mit dem
Ausstellungsraum und Budget eine größtmögliche Freiheit
in der Verwirklichung seines Projektes bieten und ihn im Aufbau oder Umsetzung
seiner Arbeit auch persönlich unterstützen. Denn das Anliegen
der Oberweltmitglieder liegt nicht nur im Ausstellen von Kunst, sondern
auch in einem persönlichen Kontakt und einer engen Zusammenarbeit
mit den Künstlern, von denen sie sich einen künstlerischen Austausch
und eine Befruchtung ihrer eigenen künstlerischen Arbeit erhoffen.
Unter Anderem deshalb entscheidet „ Über den Erfolg einer Veranstaltung
[...] nicht die aktuelle Besucherzahl, sondern allein die Tatsache, ob
ein individueller (intellektueller bzw. emotionaler) Kontakt mit der Kunst
bzw. dem Künstler stattgefunden hat“
4.3 Programm
In Bezug auf das Programm meinte Jens Hermann: „ In erster Linie
stellen wir unsere eigenen Adressaten dar und ausgestellt wird ausschließlich
das, was uns [sc. die Vereinsmitglieder] interessiert [...] “ .
Dementsprechend ergibt sich aus den unterschiedlichen künstlerischen
Positionen der Vereinsmitglieder auch ein sehr vielseitiges Programm,
welches sich nicht mehr unter einen Oberbegriff fassen lässt. Dieses
erstreckt sich seit 1993 von Ausstellungen, Projekten und Kampagnen über
Aktionen, Performances und Happenings bis hin zu Vorträgen, Diskussionen
und Seminaren. Und dennoch lässt sich in diesem breiten Spektrums
an Veranstaltungen ein roter Faden erkennen. Den Mitglieder geht es nämlich
überwiegend nicht um formal ästhetische Aspekte, sondern um
konzeptuell orientierte Kunst, bei der die inhaltliche Idee des Künstlers
die wichtigste Rolle einnimmt. Die unter diesen Gesichtspunkten entstehenden
Veranstaltungen weisen oft einen kritischen, ironisierenden oder politischen
Charakter auf. Außerdem beschäftigt sich die Oberwelt hauptsächlich
mit Kunstwerken, die sich in den Grenzbereichen der Kunst bewegen und
„[...] bei denen es eigentlich nicht mehr so klar ist, ob es sich
noch um Kunst handelt, oder ob es nicht irgendetwas Anderes darstellt“
. Hierbei zeigt sich die Hinterfragung gängiger Kunstbegriffe und
ein experimenteller Umgang mit der Kunst, welcher in der Studie „Kunststadt
Stuttgart“ als einzigartig im Stuttgarter Raum bezeichnet wird .
Viele der in der Oberwelt ausgestellten Künstler haben dort ihre
erste Ausstellung, da die Oberwelt vor Allem unetablierten Künstlern
ein Forum bieten will, in dem sie Erfahrungen im Ausstellen und Präsentieren
ihrer Kunst machen können. Neben der Werkpräsentation einzelner
Künstler produziert die Oberwelt als Gruppe auch eigene künstlerische
Arbeiten, welche größtenteils im Zusammenhang mit „Dein
Klub“ entstehen.
4.4 Dein Klub
„Dein Klub“ bildet einen sehr bedeutenden Bestandteil der
Oberwelt, da hier nicht nur soziale Kontakte stattfinden, sondern auch
von den Oberweltbetreibern Projekte veranstaltet werden, an denen alle
Klubbesucher teilnehmen und mitgestalten können.
„Dein Klub“ wurde im Juni 1995 von Jens Herman kurz nach seinem
Eintritt in die Oberwelt ins Leben gerufen und sollte eine Alternative
zu dem Künstlertreff Schäfer-Schipfer-Bar darstellen, welche
kurz davor geschlossen hatte. Seitdem befindet sich „Dein Klub“
in dem 10qm großen ehemaligen Abstellraum der Galerie auf dem Hinterhof
und ist ein „[...] Veranstaltungsort und Treffpunkt für Interessierte
aus Kunst und anderen Bereichen“ , in dem Projekte veranstaltet
sowie Gedanken und Gespräche ausgetauscht werden. Die sogenannten
Klubabende finden jahresdurchlaufend immer Montags zwischen 21 und 1 Uhr
statt und können von jedem Interessenten wahrgenommen werden. Dabei
hat die Oberwelt den Anspruch allen Besuchern jeden Montag im Laufe des
Abends ein kulturelles Programm anzubieten, über das die Anwesenden
mitentscheiden dürfen. Das Ziel davon ist, dass „die Besucher
nicht nur Konsumenten, sondern [...]auch Produzenten in oder von dem Raum
werden sollen“ . Aus diesem Anspruch heraus entstanden im Laufe
der Zeit mehrere Kunstprojekte, in welche sich die Besucher des Klubs
einbringen konnten.
4.4.1 Dein Klub als Kunstwerk
Klubabende werden jedoch nicht nur in dem ehemaligen Abstellraum der Oberwelt
abgehalten, sondern finden auch in anderen Kunst- und Kulturinstitutionen
in Form einer Ein-Abend-Performance bzw. eines Happenings statt. Dafür
wurde anfänglich der Grundriss des Klubs mit Klebeband auf den Boden
des jeweiligen Ausstellungsraumes übertragen, um seine räumliche
Situation zu veranschaulichen. Später gab es dafür ein vorgefertigtes
Stoffband, das man nur noch auslegen musste sowie ein kleines Modell des
Klubraumes im Maßstab 1:10. Erst im Zusammenhang mit der Staatsexamensarbeit
von Jens Hermann entstand ein maßstabsgetreuer Nachbau des Raumes
aus einer mit Klarsichtfolie verkleidete Holzbalkenkonstruktion, der als
„Dein Klon“ bezeichnet wurde. „Dein Klon“ wird
nun seit 2003 für externe Klubabende und als Außendrehort der
Verfilmung von „Wotørwoerld“ genutzt. Ziel der Oberwelt
ist jedoch, neben dem Raum, auch noch das komplette Inventar des Originalklubraumes
für „Dein Klon“ nachzubauen. Jeder Interessent wird dazu
eingeladen, sich an dem Nachbau eines Klubgegenstandes im Maßstab
1:1 zu beteiligen und sich damit künstlerisch in den Klon einzubringen.
Außer dem Maßstab sollen dabei der Kreativität keine
Grenzen gesetzt werden. Somit existieren z.B. schon zwei „geklonte“
Klappstühle, welche jedoch unfunktional sind, da man den Aufgeklappten
nicht zusammenklappen und den Zusammengeklappten nicht aufklappen kann.
Des Weiteren wurde ein Holztisch als Papptisch, ein Wandausschnitt als
Gemälde und ein Metallschrank als Eichensarg umgesetzt.
4.4.2 Wotørwoerld
Unter den zahlreichen Projekten des Klubs habe ich, neben der Franz-Josepf-Strauß-2DM-Stück-Sammelstelle,
das umfangreichste Projekt herausgesucht und möchte es im Folgenden
exemplarisch darstellen:
„Wotørwoerld“ ist eine Nachverfilmung des Hollywoodfilms
„Waterworld“, der 1993 in den deutschen Kinos anlief und in
dem Kevin Kostner sowohl die Regie als auch die Hauptrolle übernahm.
Jedoch war die Kostner-Produktion, der bis dahin teuerste Film aller Zeiten,
auf Grund der gigantischen Kosten ein kommerzieller Flop. Demnach ist
es nicht weiter verwunderlich, dass der Impuls dieses Projektes von dem
bekennenden Kevin-Costner-Hasser Peter Haury ausging und der Film seit
Frühjahr 2002 unter dem ironisierten Titel „Wotørwoerld“
von den „Dein-Klub“-Betreibern nachgedreht wird. Ihr Anliegen
ist dabei, Szene für Szene des Originalfilms so analog als möglich
nachzustellen. Deshalb wird für jede Aufnahme sowohl Licht, Kameraführung
als auch Requisiten, Kulissen und Kostüme neu ermittelt und imitiert.
Das Besondere daran ist, dass alle Aufnahmen ausschließlich innerhalb
der Räumlichkeiten des Klub bzw. bei Außendrehs innerhalb des
Klons stattfinden und die entsprechenden Requisiten, Kulissen und Kostüme
vor jedem Dreh ganz spontan und improvisatorisch aus dem vorgefundenen
Inventar des jeweiligen Raumes zusammengestellt werden. Unter diesen Bedingungen
entstehen trotz genauer Orientierung am Original neue und eigene Bildfindungen,
in denen schon mal eine Pappkuh als Bart oder ein Güdemannausstellungsplakat
als Kopfhaube, Meer, Weste etc. dient. Doch der wichtigste Aspekt dieses
Remakes besteht darin, dass es keine feste Besetzung der Darsteller oder
der Filmcrew gibt, sondern jeder Klub- bzw. Klonbesucher sich kreativ
als Schauspieler, Kulissenbauer, Ideenspender oder Ähnliches in das
Projekt mit einbringen kann. Da die Besucher des Klubs/Klons häufig
wechseln, gibt es unter den Akteuren auch keine festen Rollenzuweisungen,
so dass jeder Charakter des Films von jedem Besucher gespielt werden kann.
Damit die einzelnen Charaktere auch bei ständig wechselnden Darstellern
während des Betrachtens des Films auseinandergehalten werden können,
wird „Wotørwoerld“ mit der Synchronisation des Originalfilms
unterlegt. Mittlerweile wirkten schon um die 200 Akteure an dem Dreh mit
und rund 80 Minuten des 130 Minuten langen Originalvideos sind verfilmt.
Zu den Außendrehorten gehörten unter Anderen schon eine Sitzecke
des stuttgarter Clubs „Bett“ während des 17.Stuttgarter
Filmwinters 2004 sowie ein kleines Dörflein Namens Shirjaevo in Russland
während der Internationalen Biennale „love between europe and
asia“ im August 2005. Auf Grund der internationalen Beteiligung
von fremdsprachigen Akteuren wird zur Zeit unter den Klubbetreibern über
weitere Versionen des Films mit russischer, englischer und französischer
Synchronisation diskutiert.
5. Vorteile und Möglichkeiten der Oberwelt
5.1 Alternative Programmgestaltung
Anfangs möchte ich auf die Freiheiten der Oberwelt in der Gestaltung
ihres Programms zu sprechen kommen, die andere Institutionen nicht besitzen.
Bei der Oberwelt handelt es sich um ein Non-Profit-Unternehmen, welches
ehrenamtlich von seinen Mitgliedern betrieben wird und außer den
Fördergeldern und Mitgliedsbeiträgen auf keine weitere finanziellen
Einkünfte angewiesen ist. Aus diesem Grund unterliegt die Oberwelt
„[...] keinerlei festgelegten Zielsetzungen, Funktionen oder Zuständigkeiten“
, denen kommerzielle Kunstinstitutionen , hinsichtlich ihrer Ausrichtung
auf wirtschaftlichen Erfolg oder zumindest die Tilgung selbstfinanzierter
Ausgaben durch z.B. Eintrittsgelder oder dem Verkauf von Kunst, verpflichtet
sind. Sobald man solchen Bedingungen unterliegt, ist man gezwungen sein
Programm auf möglichst viele Interessenten auszurichten und sich
zwangsläufig an Faktoren wie Öffentlichkeitswirkung und Verkaufbarkeit
von Kunst, Volksgeschmack, Kunstmarkt und aktuelle Trends im Kunstsystem
zu orientieren. Dabei scheint diesen Institutionen oft das Ausstellen
von schlecht vermarktbaren Kunstformen, unetablierten Künstlern oder
von experimentellen Bereichen der Kunst für ein zu hohes unternehmerisches
Risiko. Demnach fehlt ihnen die Möglichkeit bestimmte Kunsterscheinungen
in ihr Programm aufzunehmen, welche die Oberwelt explizit vertritt. Die
Oberwelt und ähnliche Einrichtungen schließen dadurch eine
Lücke im Ausstellungsbetrieb und können viel aktuellere und
zeitgenössischere Positionen auffangen und vermitteln. In diesem
Zusammenhang wird die Oberwelt in der Studie „Kunststadt Stuttgart“
als „alternativer Trendsetter“ bezeichnet, der immer „am
Puls der Zeit“ lag und in dem oft Künstler ausgestellt wurden,
„[...] die einige Jahre später zu den erfolgreichsten Avantgardisten
gehörten“ . Letzteres vermag ich nicht zu beurteilen, jedoch
waren es unter Anderem auch Michel Majerus und Pietro Sanguineti, die
in dem Verein der heutigen Oberwelt eine ihrer ersten Ausstellungen hatten.
5.2 Bessere Integration bestimmter Kunstrichtungen
Jedoch ist es nicht nur ihre unkommerzielle Ausrichtung, welche es der
Oberwelt ermöglicht bestimmte Kunstrichtungen in ihrem Programm besser
zu verwirklichen, sondern auch ihre Größe.
Hierbei ist es vor Allem die Dienstleistungs-, Service- und Mitmachkunst,
die sich in einem kleineren Kreise mit weniger Publikum und persönlicherem
Umgang besser umsetzen lässt als in Großinstitutionen. In der
Oberwelt stellten unter Anderem die Projekte „Wirtschaftswunder
Sport“ , „Ambra Grisea“ , „Fahrt ins Blaue“
, „Nehmen sie ein Bad“ , „Forever fit“ , „Wiedereröffnung
der Wäscherei“ und nicht zu vergessen „Dein Klub“
Beispiele dieser Kunstrichtungen dar, die auch mit „Soziale Praxis
im Kunstsystem“ umschrieben werden. Dabei liegt die Idee solcher
Projekte ursprünglich darin, dass der Besucher sich individuell und
persönlich in die Kunst einbringen soll und durch sie soziale Kontakte
mit anderen Besuchern oder dem Veranstalter stattfinden bzw. Geselligkeit
entsteht. Nun ist es jedoch so, dass die Besucher in größeren
Institutionen die Beteiligungsangebote dieser Kunstrichtungen erst gar
nicht interessieren, diese nicht als solche erkennen oder sich genieren
ihre Betrachterrolle aufzugeben. Gründe dafür lassen sich in
dem anonymen, unpersönlichen und offiziellen Charakter dieser Institutionen
und ihren spezifischen Regeln erkennen. Durch Aufsichtspersonal überwacht,
unter der Angst etwas Wertvolles zu zerstören und der Auflage ein
Geräuschpegel nicht zu überschreiten bzw. Besucher anderweitig
vom Museumsgang abzulenken, fällt es schwer Hemmungen zu überwinden,
Geselligkeit zu erzeugen oder etwas in Gebrauch zu nehmen. Unter diesen
Bedingungen schwindet außerdem die Möglichkeit des Besuchers
sich uneingeschränkt an der Kunst zu beteiligen und die individuellen
Erfahrungen, welche er im Gebrauch dieser Kunst machen sollte, werden
beeinträchtigt.
Ein anderer Grund für Letzteres können jedoch auch größere
Besucherzahlen darstellen. Als Beispiel möchte ich die „Volksboutique“
von Christine Hill auf der documenta X anführen . Die „Volksboutique“
stellte dort einen Second-Hand-Laden dar, welcher davor auch schon in
Berlin unter gleichem Namen betrieben wurde. Während es bei der berliner
Boutique in kleinerem Kreise zu sozialen Momenten und Konversation kam,
reduzierte sich die persönliche Beteiligung der Besucher in der völlig
überlaufenen „Volksboutique“ während der dokumenta
X auf den reinen Kaufakt. In diesem Rahmen hat der Besucher keine Möglichkeit
mehr auf das künstlerische Geschehen einzuwirken, sondern mutiert
vielmehr zu einer Art Statisten, der nur noch vorherbestimmte Abläufe
ausführt.
Im Gegensatz dazu kann die Oberwelt mit ihrem engen, sehr persönlichen
Charakter und beschränkten Publikum, einerseits den einzelnen Besucher
besser zu der Teilnahme an den Mitmachangeboten animieren, andererseits
ihm die Freiheit bieten sich uneingeschränkter und individueller
in die Kunst einzubringen. Die erwähnten Kunstrichtungen können
somit von ihr effektiver und sinngemäßer umgesetzt werden.
5.3 Bessere Arbeitsbedingungen für die ausgestellten Künstler
Außerdem kann die Oberwelt den Künstlern andere Arbeitsbedingungen
bieten, als Institutionen, welche die Künstler aus wirtschaftlichen
und gänzlich unpersönlichen Gründen ausstellen.
Denn unter Aspekten der Öffentlichkeitswirkung und Verkaufbarkeit
schwinden oft die Selbstverwirklichungsmöglichkeiten der Künstler
in der Umsetzung ihrer Ausstellungen/Projekte und sie sehen sich schnell
mit Auflagen, Beschneidungen oder Kompromissen seitens der Institutionen
konfrontiert. Häufig sind die Künstler selbst auch gar nicht
mehr an der Konzeption ihrer Ausstellungen beteiligt, sondern Kuratoren
entscheiden über die Präsentationsform ihrer Werke und den Kontext,
unter denen sie gezeigt werden. Dabei kommt es vor, dass Kunstwerke, gegen
die Intention des Künstlers, in falsche Zusammenhänge gerückt
werden und der Künstler nur noch als Instrument einer kuratorischen
Idee fungiert, wodurch seitens der Institution nicht mehr auf die Bedürfnisse
des Künstlers eingegangen wird.
Dagegen können die Künstler ihre Ausstellungen/Projekte in der
Oberwelt noch nach eigenen Vorstellungen verwirklichen, da die Entscheidung
über Präsentations- bzw. Vermittlungsformen einer Ausstellung
wie Raumgestaltung, Hängung, Verlauf des Events, Eröffnungsform
etc., kein Kurator, sondern überwiegend der Künstler selbst
trifft. Auch kann es nicht passieren, dass seine Kunst in falsche Kontexte
gebracht wird, da der Künstler selbst bestimmt unter welchen Themen
er ausstellt. Und „Gerade die[se] Gestaltung von Rahmenbedingungen
zur Ausstellung der eigenen Kunst steigert das Gefühl der Selbstverwirklichung
und motiviert zur weiteren künstlerischen Arbeit“ . Außerdem
sehen Oberweltmitglieder ihre Unterstützung in der Projektumsetzung
als eine künstlerische Beteiligung an dem Gesamtwerk und in dem persönlichen
Kontakt mit den Künstlern eine Bereicherung für sich selbst.
Dazu sagt Peter Haury „[...]das Realisieren ist ein kreativer Akt
und dabei findet ein Ereignis statt, mit dem ich meine Wahrnehmung von
Kunst bereichere, mit dem ich lerne weiter zu verstehen, wie Kunst funktioniert“
. Dadurch kommt es seitens der Veranstalter zu einer intensiveren Beschäftigung
mit dem Künstler und zu einer größeren Unterstützung
als in anderen Institutionen, bei denen die Berücksichtigung der
Persönlichkeit und Interessen eines Künstlers evtl. völlig
hinter seinem Marktwert oder dem vorherbestimmten kuratorischen Konzept
verloren gehen kann.
5.4 Vielseitigeres Programm
Die Entscheidung über die ausgestellten Künstler trifft der
ganze Verein oder zumindest die Mitglieder, die sich an ihr beteiligen.
Dadurch kommt es zu zwei Aspekten.
Erstens gibt es keinen Kurator, der aus karriereperspektivischen Gründen
auf die Öffentlichkeitswirkung der ausgestellten Kunst achten und
damit den experimentellen Charakter des Programms zerstören könnte.
Zweitens kommt ein vielseitigeres, abwechslungsreicheres und heterogeneres
Programm zustande, wenn mehrere künstlerische Interessen, Auffassungen
und Ideen in die Programmgestaltung einfließen. Außerdem werden
künstlerische Positionen ausgestellt zu denen eine Einzelperson als
Programmgestalter evtl. keinen Zugang gehabt hätte.
Auch die im Kollektiv erarbeiteten Themen und Kontexte für z.B. Gruppenausstellungen,
entstehen aus einer Synthese vieler Betrachtungsweisen und in einem kooperativen
Diskurs, weshalb sie „[...] meist einen profunderen „Sondierungscharakter“
hinsichtlich ihrer gesellschaftlichen Relevanz [aufweisen], als die aus
subjektiver Sicht“ . Dazu kommt, dass ein Kollektiv bei der Findung
solcher Kontexte meist eine kreativere Ressource darstellt und die Themen
dadurch nicht so schnell Gefahr laufen langweilig zu werden. Von dem her
kann die Oberwelt ein vielschichtigeres Programm bieten, welches verschiedene
künstlerische Interessen umfasst und in der Kontextproduktion innovativer
und gesellschaftlich relevanter sein.
5.5 Spontanität/Flexibilität
Schließlich möchte ich einen Punkt der Oberwelt ansprechen,
der auf den ersten Blick nicht als erstrebenswert erscheint. Nämlich
die traditionell relativ kurzfristige Planung des Ausstellungsprogramms,
die seit 1993 des öfteren auch Ausstellungslücken von 1.- 2.Monaten
aufweist.
Heute umfasst die Vorausplanung des Programms etwas über ein halbes
Jahr und in der 2002 erschienenen Publikation der Oberwelt hieß
es noch dazu: „[...] bedingt durch die [...] selten über drei
Veranstaltungen hinausgelangende Planungspraxis des Ausstellungsraumes,
kann der Forderung nach einer Monate umfassenden Planungsvorschau [...]
kaum nachgekommen werden“ .Aus dieser Tatsache heraus ergeben sich
jedoch auch Vorteile.
Sie bleibt flexibel und kann auf spontanere Impulse eingehen. Im Gegensatz
zu Institutionen wie z.B. die Staatsgalerie, welche ihr Programm lückenlos
über 2 Jahre im Voraus plant, besitzt die Oberwelt die Fähigkeit,
zeitnah auf Aktualitäten zu reagieren und auf sich kurzfristig ergebende,
evtl. relevantere Themen einzugehen.
6. Nachwort
Laut dem Kunsthistoriker Prof. Beat Wyss wird „Kultur [...] immer
von Subkultur gespeist“ und diese findet gerade in den Ausstellungsräumen
des Off-Space einen Platz zur Entfaltung.
Aus dem Beispiel Oberwelt ist hervorgegangen, wie wichtig die Existenz
dieser Ausstellungsorte im Kunstsystem ist. Sie bilden nicht nur Spielräume
und Experimentierplattformen ihrer Betreiber, in denen mit der Kunst,
dem Künstler und den Besuchern anders umgegangen werden kann, sondern
auch ein Forum junger Künstler und gegenwärtiger Kunsterscheinungen.
Dadurch stellen sie eine Alternative bzw. Ergänzung zu dem kommerziellen,
etablierten Ausstellungsbetrieb dar und schließen eine Lücke
im Kunstsystem.
Ähnliche Strukturen wie die Oberwelt weisen in Stuttgart z.B. die
Ausstellungsplätze des Areals „Innerer Nordbahnhof“ auf.
Jedoch handelt es sich bei ihnen, verglichen zu der Oberwelt, um Neuerscheinungen
in der stuttgarter Kunstszene und genießen deshalb von offizieller
Seite auch nicht deren anerkannten Status. Dieses macht sich in den Fördermitteln
bemerkbar, welche sie nur gering bis überhaupt nicht erhalten. Um
einen weiteren Einblick in die unkommerzielle, selbstorganisierte Ausstellungs-Subkultur
von Künstlern zu bekommen, würde sich eine genauere Betrachtung
dieser Institutionen lohnen.
Quellenverzeichnis:
Schriftliche Quellen:
JAGIELSKA, RENATA MAGDALENA:
Konzepte zur Gestaltung von innovativen Arbeitsbedingungen für Künstler
in Baden-Württemberg. Wissenschaftliche Arbeit für die Magisterprüfung
im Fach Kulturwissenschaften im Aufbau-Studiengang „Kulturmanagement“
an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg, Archiv Päd. Hochschule
Ludwigsburg, abgegeben 2001.
KUBE VENTURA, HOLGER:
Politische Kunst Begriffe in den 1990er Jahren im deutschsprachigen Raum,
Wien: edition selene 2002.
OBERWELT E.V. (Hg):
Oberwelt. Eine Gebrauchsanweisung, Stuttgart: Eigenverlag 2003.
Internetseiten:
http://www.atelier-unsichtbar.de; 28.09.2005.
http://www.ideenfreiheit.de/docs/00-01.13.doc; 28.09.2005.
http://www.oberwelt.de; 25.09.2005
http://www.uni-stuttgart.de/kg1/B1.pdf; 25.09.2005.
Persönliche Quellen:
HAURY, PETER:
Interview am 9.05.2005; 16.05.2005, Stuttgart.
Informationen aus einem E-Mail-Verkehr vom 1.09 -27.09.2005.
HERMANN, JENS:
Interview am 9.05.2005; 16.05.2005, Stuttgart.
KELLEIN, THOMAS:
Informationen aus einem E-Mail-Verkehr vom 30.08-2.09.2005.
OPIOLKA, ANDREAS:
Interview am 30.05.2005, Stuttgart.
TRENSCÉNI, ALEXANDRA:
Telefonisches Interview am 8.09.2005, Stuttgart/Berlin.
ZIEGLER, ANGELA;
Mitarbeiterin des Schriften-Archivs und der Sammlung an der ABK Stuttgart:
Informationen aus einem E-Mail-Verkehr vom 31.08-13.09.2005.
back
<<O>>
1. Andreas Mayer-Brennenstuhl
(www.ambweb.de)
On the Utopia of Cooperative Context Production
Or: Is Oberwelt Already the Best of all Possible Worlds?
Somewhere – floating in a magic triangle between
epistemology, service providing and entertainment – the artificial
satellite “Oberwelt” is travelling, never-tiring, relentlessly
following an unknown course through the firmament of “self-organised
context production”. Trying to define what this course could be,
or even what “cooperative context production” could mean,
is pointless so long as it’s working in practice. Just to get something
out of the way: the craving for “showing opportunities” for
conceptually oriented art practice is fierce, especially then, when there
isn’t actually anything that can be shown. The Oberwelters, however,
are interested in everything that draws a trace of light in the night
sky, in glistening sunlight reflected from futuristic, metallic skins
of satellites. The real reason behind the reflectivity of these satellites
is to capture foreign energy on their unfolded sun-sails, which can then
be used for their own energy needs; becoming visible for outside observers
is merely a side-effect: pleasant because it is useful for positioning
yourself and making contact, undesirable in terms of military security
because of “spying” and “exposure to attack”.
Whatever, reflectivity is basic to being a satellite.
But looking more closely: a context production which,
like Oberwelt, moves in a grey area between offering a mediation service
and undeniably present, individual artistic ambitions, always transports
along with its immanent theoretical positions immanent contradictions.
But that’s good, because this is a further fuel resource for such
satellites.
Oberwelters are also art practitioners (mostly in any case, no-one has
ever wanted to determine the exact figures). Where would you otherwise
find the (high) levels of motivation necessary to undertake something
that demands such exorbitant self-exploitative energy? You have to be
rather sure of what you are doing, or at least convinced that it is right,
to be able to stay on course here in orbit. Offering conceptually oriented
art practice a qualitatively demanding public forum is after all logical
when you have experienced in your own art practice the quantitative lack
of such places. A subjective feeling of empathy must then be (have been)
a central motivation for many involved in the activities of Oberwelt.
This is worthy, but isn’t enough for the long haul. Particularly
when you observe how often in the wider environment of the “self-organised,
off-gallery scene” the apparent service-provider commitment is a
cover for an “I’ll-show-you-if-you-show-me mentality”,
you are left with a bitter taste in the mouth. This “inviting-each-other”
quickly goes stale until those involved soon can’t even get interested
in themselves due to the tedium of a self-referential system. Those who
keep going, like the Oberwelters, are drawing on another source of energy.
Using my personal perspective as a point of departure,
I want to shed light on two aspects here, which are connected to each
other in the term “cooperative context production”. First
is the aspect of “cooperation”, which in the 20th century
would maybe have been described in this context with the topos “collective”.
"Künstlergruppen. Von der Utopie einer kollektiven Kunst"
(Artists’ Groups. On the Utopia of Collective Art) was the title
theme of "Kunstforum" No. 116 from Dec. 1991 - and this was
a long time ago. The universal feeling of the authors was: art production
and collectivism can’t tolerate each other, however much we might
love the collective (and in the 90s some of the Kunstforum authors may
have been looking back somewhat ashamed, with both a smile and a tear,
to the experiences of their youth at the time of 1968, and to the ideas
of that time).
Despite all the theoretical criticism there has been of the romantic concept
of genius and its individual artistic heroes, the belief that ideas of
genius originate in the individual and in a personified artistic brain
has never been doubted. Although in the economic and scientific sector
creativity is only now practised as the result of teamwork, in the artistic
sector everything is still seen to come from the mythical depths of an
individual. This strange attachment to a myth, which in an age of permanent
information exchange seems increasingly eccentric and embarrassing, is
naturally driven in the first instance by economic factors, although the
compensatory aspect of this ideology must also have a sustaining, social
function. The current reality of an art practice is naturally not accessible
to concepts like “collectivism” and what exactly in the 90’s
a label like “artists’ group” was supposed to embrace
remains a mystery. How the Kunstforum producers could even presume go
so far as to want to investigate the utopian potential of imaginary artists’
collectives remains a professional secret.
An aspect, however, that through this choice of terminology
isn’t even considered by the authors, is that of “cooperation”.
Artists’ groups that define themselves as a sworn collective with
the purpose of together being able to better propound a new “style”
or a collective ideology, should no longer be found in even the most insulated
information provinces; what is widely found today, however, are information
networks and connections between individuals and institutions that cooperate
in projects as sovereign partners. In the same way that the image of the
autistic (painter) genius and its dialectical opposite the “collective”
are indissolubly linked, just so closely interlocked is the figure of
the “media-based communication producer” with the terms network
and cooperation. The concept of cooperation also implies something fundamentally
different to that of the figure of the “artist-curator”, which
appeared in the 90’s in reaction to certain feelings of helplessness,
not least as one possible offspring of a persistently practiced “cross-over”.
As someone who had “crossed-over” in the art business the
“artist-curator” had undeniable benefits in comparison to
many art-historians or business-studies graduates with a relevant subsidiary
subject or further qualification. With many representatives of this (in
essence not bad) species however, I can’t escape the feeling that
they have looked for a relief from their artistic helplessness or a possible
way of ensuring their personal productivity, in that they have conjured
themes for exhibition series out of a hat or created large-scale exhibitions
with far-fetched themes that are decorated with arbitrarily exchangeable
works from their previous academy colleagues. Context production as meta-work
production as it were. Under the motto: what the others say, I’ve
been saying (or wanting to say) for ages, so now I’m going to say
it loudly. These evolutionary side-products of the art system must then
actually, embarrassingly enough, be the true inheritors of the dying out
species of the “artist-genius”. The secretive hankering of
failed artists’ existences, looking for an ersatz profile in a more
or less largely printed “CURATED BY” on the invitation card
as the last bastion of the bourgeois-romantic artists’ socialisation.
Admittedly these are moments of unproven suspicion, which sometimes sneak
up on me, I still prefer clear relationships however. And a cooperative
and anonymous collaboration between professional artists with the stated
objective of a communal context production seems to me to be the cleanest
solution. The need to try and sell the ideas discovered in cooperative
discourse as the result of the ingenious intuition of a singular brain
seems to be small, and what is fundamental: the ideas arrived at in this
way mostly have a more profound “probe” character in terms
of their societal relevance than those coming from a subjective view-point,
however ingenious these may be. Without wanting to inflame any (undoubtedly
present) vanity, I even think I can observe that in cooperative discourse
powerful ideas are more often discovered at a very early stage, to be
then appropriated by external observers who then proceed to sell them
as “individual intuition”.
Whatever, this is obviously just the way things go, and
these two approaches shouldn’t be played out against each other
here. At any rate, my personal experience of the cooperative approach
and its inherent potential for a “mutual fertilisation”, has
shown it to deliver a high level of “epistemological satisfaction”
and, staying with this image, I really am speaking here about a satisfaction
discrepancy approximately equivalent to that between copulation and masturbation
(after all it isn’t a coincidence that cooperation and copulation
begin with the same syllable). After so much pleasure, back to the subject.
The other aspect that needs to be brought to light here
is that of the mutual fertilisation between curatorial conception and
individual “work production”. What do I mean by that? It is
scarcely possible in the circumstances of a current art practice today
to fall back on established forms of transmission without being dismantled
by their actual substance. Whoever wants to rely on the “white cube”
is lost. Forms of transmission from the choice of place (does everything
actually have to be “in situ”?) to the form of the invitation
(i.e. the choice of target group), the form of the opening (party and
ambient club as an ever-ready solution also doesn’t work any more),
from the actual “event” to the “discourse animation”
(which critic is allowed to write today?), there aren’t any readily
available transmission forms any more, everything is doable and must be
done. The criticism of the institutions in the 90s is bearing fruit and
that means: work.
There is of course in an institutional context a
fatal tendency to “fast-food” and to the establishment of
set menus, but all in all the artists today are nevertheless increasingly
expected in cooperation with curators to deliver individual and specific
forms of transmission as a fundamental part of the work. That this is
a matter of course in “self-organised art spaces” is obvious.
What had to be done for contextual works out of a mixture of idealism
and unavoidable necessity in the early forerunners of today’s self-organised
spaces in the 60’s and 70’s has in the meantime developed
into a central part of the stock in trade of an artistic practice. In
an art practice today the work production is actually hardly separable
from the context production. In this way it is actually an obvious move
to occasionally swap between the functions of “curating” and
“Producing”. Experiences on the one side help in a cooperation
where we find ourselves standing on the other side. This not only makes
the collaboration more rewarding, but also that which comes out of it.
And that’s what’s important in the end.
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